Besuch in Deutschland Note eins von Obama für Merkel

Hannover · Barack Obama überrascht zum Auftakt seines Besuches in Hannover mit einem Bestzeugnis für die Bundeskanzlerin und will doch nicht mit ihr tauschen: „Ich beneide Angela Merkel nicht für die Tatsache, dass sie keine Begrenzung ihrer Amtszeit hat.“

Was für ein Zeugnis. Verlässlichkeit: eins. Konsequenz: eins. Mut: eins. Durchsetzungskraft: eins. Ausdauer: eins. Weitsicht: eins. Führung: eins. Angela Merkel ist dieses höchste Lob aus sehr berufenem Munde fast unangenehm. Aber bitte, der, der ihr dieses Zeugnis ausstellt, muss es wissen. Er arbeitet seit nunmehr sieben Jahren mit der Bundeskanzlerin quer über den Atlantik und in nahezu allen Krisen auf diesem Erdball eng zusammen. Es fehlte nur noch, dass Barack Obama auf öffentlicher Bühne Merkel umarmt hätte, schließlich hat er die deutsche Bundeskanzlerin erst eine „Vertraute“ genannt, dann „vertraute Partnerin“ und ihr danach nochmals persönlich für die „Freundschaft“ gedankt. Es kommt noch mehr: „Das ist die wichtigste, die vertrauensvollste Beziehung, die ich in meiner Amtszeit gehabt hatte.“ Dabei: Es ist noch nicht vorbei. Obama hat noch neun Monate als US-Präsident vor sich. Und weder der US-Präsident noch die Bundeskanzlerin sind in dieser späten Nachmittagsstunde in Hannover bereit, zurückzublicken, eine Bilanz zu ziehen, worum sie in der gemeinsamen Pressekonferenz gebeten worden waren. Sie schauen nach vorn: Es gibt viel zu tun. Libyen, Syrien, Irak, Russland, Ukraine. Und natürlich die Flüchtlingskrise in Europa. Obama stellt Merkel mit Blick auf die Zukunft gewissermaßen einen Blankoscheck für die Richtigkeit ihrer Politik in dieser höchst umstrittenen Frage aus. Vielleicht liege es auch daran, dass Merkel selbst hinter Mauern gelebt habe und deswegen ein besonderes Verständnis für Menschen habe, die Freiheit suchten. Obama ist überzeugt: „Die Geschichte wird ihr Recht geben.“ Mehr geht einfach nicht.

Dabei wäre, wenn Stunden zuvor das Wetter tatsächlich die Temperatur für die deutsch-amerikanischen Beziehungen anzeigt hätte, ganz gewiss keine Eiszeit ausgerufen worden, aber für einen Ausflug nach Hawaii würde es auch nicht reichen. Hawaii ist überhaupt ein passendes Stichwort, denn in der Hauptstadt Honolulu ist der Mann, um den sich die nächsten 27 Stunden gleich alles drehen wird, geboren. Als die Air Force One um 12.46 Uhr auf dem Flughafen Hannover-Langenhagen landet und um 12.54 Uhr ein gewisser Barack Obama, 54 Jahre alt, und seit Januar 2009 Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, die Gangway hinunter tänzelt, als gäbe es dafür Noten, begrüßen ihn Graupel und Regen. Nur drei Stunden später strahlt die Sonne über Schloss Herrenhausen. Obama hat den Mantel abgelegt, Gastgeberin Angela Merkel kommt im kanariengelben Blazer.

Merkel und Obama treffen sich jetzt zum fünften Mal ganz offiziell in Deutschland. Sie haben gemeinsam diverse G7-, G8- und G20-Gipfel absolviert, ebenso mehrere Nato-Gipfel. Was soll noch kommen? Kann es beispielsweise für Angela Merkel noch etwas Größeres geben, als aus der Hand des US-Präsidenten die Freiheitsmedaille, die höchste zivile Auszeichnung der Vereinigten Staaten, im Rosengarten des Weißen Hauses überreicht zu bekommen wie im Juni 2011? Obama wird mit seinem summa cum laude für Merkel zeigen: Da geht doch noch mehr. Dieses Mal also Hannover, vielleicht nicht die erste Adresse für den Normal-Amerikaner, wenn er an Deutschland denkt. Aber die Hannover Messe gilt als „big shot“, zumal die USA dieses Jahr das Partnerland sind, und Merkel wie Obama ein gemeinsames Ziel verfolgen: das angestrebte Freihandelsabkommen TTIP zu einem Abschluss zu bringen, und zwar möglichst bald. Obama macht deutlich, dass TTIP nach seiner Überzeugung zum Wohle aller sein würde: der Staaten, der Unternehmen, der Verbraucher. Merkel und Obama blicken dann doch zurück. Auf Krieg und Frieden in Libyen. Deutschland hatte sich 2011 gegen einiges Unverständnis alliierter Partner wie der USA im UN-Sicherheitsrat in der Frage eines militärischen Eingreifens der Stimme enthalten. Merkel findet die deutsche Haltung bis heute richtig. „Es bleiben trotzdem die Freunde“, sagt sie zum damaligen Unverständnis der Partner. Obama wiederum ist unverändert davon überzeugt: „Es war das Richtige, einzugreifen mit einem Mandat der Vereinten Nationen.“ Meinungsverschiedenheiten unter Partnern.

Obama und Merkel sind dann doch noch einmal bei ihren Jobs beziehungsweise bei Fragen zu einem möglichen Nachfolger. Merkel will zu einem Donald Trump im Amt des US-Präsidenten nichts sagen: „Ich konzentriere mich voll auf die Arbeit des Jahres 2016 und ich verfolge den US-Wahlkampf mit Interesse.“ Obama versichert: „I love this job.“ Aber im Basketball habe es sich oft bewährt, „frische Beine“ ins Spiel zu bringen. Er wird 2017 aufhören, weil er muss. Und er beteuert: „Ich beneide Angela Merkel nicht für die Tatsache, dass sie keine Begrenzung ihrer Amtszeit hat.“ Obama sagt, er laufe seinen Teil des Rennens und übergebe den Staffelstab. Merkels Rennen geht weiter. Wann es endet? 2017 ist die nächste Zeitnahme.

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