GA-Serie Bonner Klimahelden Nick Nuttall: Der grüne Broker

BONN · Das schlichte Büro am Platz der Vereinten Nationen deutet wenig darauf hin, dass von hier aus Weltklimapolitik gemacht wird. Es ist der Arbeitsplatz von Nick Nuttall, Kommunikationschef von Christiana Figueres, die das in Bonn ansässige Klimasekretariat der Vereinten Nationen (UN Framework Convention on Climate Change, kurz UNFCCC) leitet.

Sein Büro ist so vollgekramt, dass die Farben von Schreibtisch und Beratungstisch nicht auszumachen sind. Aber das macht Nuttall nichts, er braucht keinen repräsentativen Arbeitsplatz, um seinen Standpunkt klarzumachen.

Der 56-jährige Brite arbeitet mit daran, dass auf dem für 2015 angesetzten Klimagipfel in Paris ein für alle Länder verbindliches Klimaschutzabkommen verabschiedet wird. Mit ihm sollen sich die Staaten verpflichten, alles dafür zu tun, dass die Erde sich nicht um mehr als zwei Grad erwärmt. "Das Ziel sind möglichst ambitionierte eigene Klimaschutzziele der Akteure, die in den Vertragsentwurf für 2015 aufgenommen werden", erklärt Nuttall.

Während er spricht, wird klar, warum er im Jahr 2000 diesen Anruf vom damaligen UN-Umweltprogramm-Chef und ehemaligem Bundesumweltminister Klaus Töpfer erhalten hat. Präzise, anschaulich, dringlich und trotzdem unterhaltsam erläutert er, warum sich die UN überhaupt um den Klimawandel sorgen sollten.

Weil er in vielen Gebieten der Erde die natürlichen Lebensgrundlagen ganzer Völker bedrohe, sei er ein Problem für die Entwicklung, den Frieden und die Sicherheit der Welt. Und ein reales: "Der Tag kommt näher, an dem das Klima unumkehrbar verändert wird. Und fünf bis sechs Grad Erderwärmung wären ein Desaster."

Nach einem Psychologie-Studium in Schottland versuchte sich Nuttall während eines Austauschjahres in den USA als Popsänger. Glücklos. An der Börse klappte es besser. Er wurde Broker. Als Börsenhändler kehrte er nach London zurück, verdiente gut. Und begann sich zu langweilen. Sein journalistisches Talent entdeckte er rund um den 25. Geburtstag, als er einen Newslettertext verfassen sollte. Er wurde Wissenschaftsjournalist, ab 1989 für die Londoner "Times", wo ihn Töpfer anrief: "My name is Klaus Töpfer, I want to speak to you."

Für diesen Satz wechselt Nuttall strahlend vom gepflegten britischen Englisch in den deutsch-englischen Akzent Töpfers, der weit über das Umfeld seiner Mitarbeiter hinaus legendär ist. Pech für Töpfer in dem Moment war, dass er um 17 Uhr mitten im Deadline-Stress angerufen hatte und Nuttall von einem Klaus Töpfer nie etwas gehört hatte.

Nuttall verstand nicht und legte auf. Sie kamen trotzdem zusammen, und Nuttall ging mit seiner Frau und den damals noch kleinen drei Kindern nach Nairobi, um Sprecher und Redenschreiber Töpfers zu werden, den er sehr bewundert. "Klaus Töpfer hat mir die Augen geöffnet über die Zusammenhänge von Umweltverschmutzung, Klimaveränderungen und Armut."

Unter Töpfers Nachfolger Achim Steiner hat Nick Nuttall an dem sogenannten Green-Economy-Konzept mitgearbeitet. Es zeigt, dass sich Klimaschutz und Wirtschaftswachstum nicht ausschließen müssen. Im Gegenteil. "Kohle ist nur scheinbar günstig. Die Kohleproduktion verursacht im Jahr einen Schaden von zwei Billionen Dollar.

In den günstigen Preis sind eben nicht die Kosten eingerechnet, die durch Verschmutzung oder daraus folgende Krankheiten entstehen. In China kann man ja die Luft förmlich sehen, die die Menschen atmen", sagt Nuttall. Das häufige Argument, mit der Aufgabe von fossilen Energieträgern würden zu viele Arbeitsplätze verschwinden, lässt er nicht gelten: "Schon heute sind mehr Menschen im Bereich nachhaltiger Energiegewinnung beschäftigt als im Kohle- und Gas-Sektor".

Und Deutschland habe es ja vorgemacht. Seitdem die Atomkraftwerke ausgeschaltet sind, gebe es Tage, an denen die im Land verbrauchte Energie zu über 50 Prozent aus alternativen Energieträgern kommt. Und was er als "Germanys gift to the world" bezeichnet, sind die Anreize für die Solarindustrie. "Das hat dazu geführt, dass Solaranlagen heute zu 80 Prozent billiger hergestellt werden können als vorher." Auch ärmere Länder könnten dank dieses "Geschenks aus Deutschland" davon profitieren.

Seit Beginn des Jahres arbeitet Nuttall in Bonn. Nach zwölf Jahren in Kenia genießt er die Stadt am Rhein. "Es ist sicher, es ist schön, es ist ruhig, aber nicht langweilig. Niemand will einen erschießen." Das einzige, was ihn stört, sind die umweltschädlichen Kohleschiffe auf dem Rhein.

Save the world with this melody

Für den Klimaschutz betätigt sich Nick Nuttall im Duett mit Bernadette La Hengst neuerdings sogar als Sänger.

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