Kommentar zum INF-Vertrag Neuer Kalter Krieg

Meinung | Berlin · Durch den Rückzug der USA aus dem INF-Vertrag steigt die Gefahr eines neuen Wettrüstens zwischen den USA und Russland. Denn Donald Trump und Wladimir Putin könnten die Situation genau dafür nutzen.

Frieden ist anstrengend. Erst recht, wenn eine Weltmacht und eine Großmacht ihre atomaren Muskeln spielen lassen. Das amerikanisch-russische Kräftemessen geht jetzt in eine nächste Runde. Mit der faktischen Aufkündigung des INF-Vertrags über das Verbot landgestützter atomarer Mittelstreckenraketen steigt die Gefahr eines neuen Wettrüstens zwischen den USA und Russland. Womöglich steht die Welt vor einer neuen Phase gefährlich unkontrollierter Waffenpläne. Und Europa mittendrin.

Dabei beteuern alle: Niemand will einen neuen Kalten Krieg. Die Nato nicht, die USA nicht, Russland nicht. Doch solche Worte und das Papier eines mehr als 30 Jahre alten Rüstungskontrollvertrages sind geduldig. Tatsächlich zeigt Russland mit seinen neuen Marschflugkörpern, dass es sich wappnet – auch für ein Drohszenario in Europa. Moskau spielt seit Jahren sein durchsichtig undurchsichtiges Spiel und gelobt mit einer Mischung aus Gerissenheit und Scheinheiligkeit: Wir sind vertragskonform, die Reichweite unserer neuen Raketen bleibt im Vertragsrahmen – nicht über 500 Kilometer.

Dabei hatte schon die US-Regierung von Barack Obama auf eine Verletzung des INF-Vertrages hingewiesen. Doch erst jetzt wacht Europa richtig auf. Vielleicht kommt US-Präsident Donald Trump wie auch dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ein Ende des INF-Vertrages gerade entgegen, weil sie dann ungenierter als bisher ihre Truppen (auf)rüsten könnten.

Trump selbst hat mit der Nato – wie das Gipfeltreffen der Allianz im vergangenen Jahr in Brüssel dramatisch gezeigt hat – nichts am Hut, Putin betrachtet das nordatlantische Bündnis seit jeher als Gegner. 2017 erst ließ Putin Zehntausende Soldaten beim Großmanöver „Sapad“ („Westen“) an der Grenze zum Baltikum aufmarschieren und somit an der Frontlinie zur Nato.

Sollte das Kontrollsystem des INF-Vertrages tatsächlich kollabieren, kann sich dies auf einen zweiten bedeutenden Rüstungsvertrag auswirken. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass die USA und Russland in einem solchen Fall bereit wären, den „New Start“-Vertrag zur Kontrolle und Begrenzung ihrer strategischen Nuklearwaffen 2021 zu verlängern, würde deutlich sinken. Der Verlust gleich zweier solcher bedeutender Rüstungskontroll-Abkommen würde völlig neue Unsicherheiten und Ungewissheiten produzieren. Wenn es in einer Welt, die mit dem Kampf gegen den islamistischen Terror ohnehin überbeschäftigt ist, kein Regelwerk mehr zur nuklearen Rüstungskontrolle gibt, steht es wirklich schlecht um den Frieden.

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