Klaus Benndorf und Ernst Ludwig Hartz im Streitgespräch Neue Wege in der Kulturförderung

Bonn · Weniger Geld für die Oper, eine Lockerung des Urheberrechts - die Piratenpartei will in vielen Bereichen neue Wege gehen. Mit dem Bonner Direktkandidaten der Piraten, Klaus Benndorf, diskutierte Veranstalter Ernst Ludwig Hartz. Es moderierte Cem Akalin.

 Sind im Gespräch nicht immer uneins: der Politiker Klaus Benndorf (links) und Veranstalter Ernst Ludwig Hartz.

Sind im Gespräch nicht immer uneins: der Politiker Klaus Benndorf (links) und Veranstalter Ernst Ludwig Hartz.

Foto: Barbara Frommann

Die Piraten sagen zur Kultur: "Nur durch den Mut zum Versuch geht Kultur neue Wege, kann sich ausprobieren und über Grenzen hinweg wirken. Wir wollen geistige, räumliche und ökonomische Freiräume für Kultur und Kulturschaffende." Die ökonomischen Freiräume wollen Sie der Bonner Oper aber nehmen, oder?

Klaus Benndorf: Nein, aber wir wollen andere Wege gehen, damit sich die Kultur weiterentwickelt. Wir wollen die alternative Kultur fördern. Wir wollen der Bonner Oper nichts nehmen, aber wir wollen sie finanziell auf andere Füße stellen, damit sie etwa enger mit Köln kooperiert. Eine Frage ist: Brauchen wir auf dieser Distanz - in München wäre das innerstädtischer Bereich - zwei Opernhäuser?

Ernst Ludwig Hartz: Sie behaupten, jedes Opernticket werde mit 200 Euro bezuschusst, gleichzeitig fordern Sie, dass Kultur für jeden erschwingbar sein müsse. Das ginge ja dann ohne eine Bezuschussung nicht. Wie passt das zusammen?

Benndorf: Kultur ist ja nicht nur Oper! Wir wollen die einseitige Bezuschussung ändern! Außerdem: Veranstaltungen wie der Kunst!Rasen müssen sich ja auch tragen. Für manche Rockkonzerte gibt man 100 Euro aus, warum nicht auch für die Oper?

Hartz: Ich hasse die Unterscheidung von E- und U-Musik oder von Hoch- und freier Kultur. Für mich gibt es eine Musik, eine Kultur.

Sie müssten Herrn Benndorf doch Recht geben, wenn er sagt: Die Oper wird subventioniert, und Sie müssen mit Ihren Konzerten sehen, wie Sie zurecht kommen!

Hartz: Da ist auch etwas Wahres dran. Und es ist tatsächlich so in Bonn: Wenn man selber nichts macht, passiert gar nichts. Wenn Martin Nötzel und ich nach dem Ende der Konzerte auf dem Museumsplatz nicht die Initiative ergriffen hätten, dann wären die Open-Airs nach Köln abgewandert. Aber das gehört eben auch zu einem Kulturangebot einer Stadt mit mehr als 300 000 Einwohnern.

Benndorf: Eben. Und dann kommt das Umland ja hinzu. Es kann ja eigentlich nicht sein, dass Bonn für ein Kulturangebot aufkommt, von dem der Rhein-Sieg-Kreis profitiert, ohne dafür zu zahlen. Auch darüber muss man nachdenken.

Hartz: Kultur ist ein Standortfaktor von unschätzbarem Wert. Das müssen Sie doch auch bedenken, wenn Sie fordern, die Kulturausgaben zu kürzen.

Benndorf: Man muss aber den Tatsachen ins Gesicht schauen. Viele, insbesondere Jüngere, wollen eine andere Kultur als das, was Bonn ihnen bietet.

Hartz: Na ja, ich gebe zu, in Zeiten leerer Kassen muss Vieles neu gedacht werden. Aber Kultur muss jede Lebensphase begleiten: Vom Kindergarten bis zur Rente. Eine Gesellschaft ohne Kultur ist nicht erstrebenswert.

Benndorf: Es muss aber einen Ausgleich zwischen den Kulturen geben. Es darf doch keine Fixierung auf eine Kultursparte geben!

Hartz: Und deshalb strengen Sie ein Bürgerbegehren gegen die Oper an?

Benndorf: Es ist ja kein Bürgerbegehren der Piraten, sondern von einigen, die auch Piraten sind. Ich gebe zu: Unter uns Piraten gibt es zwar eine Mehrheit für die Kürzung der Opernausgaben, aber keine für Streichungen, die ihre Existenz gefährden. Noch mal: Wir wollen die Gelder gerechter verteilen. Die RheinKultur ist ja auch eingegangen, weil sie eben im Vergleich zur Oper fast keine Unterstützung durch die Stadt erfahren hat.

Beethovenfest, Festspielhaus... Wieso engagiert sich jemand wie Sie für solche Initiativen, Herr Hartz?

Hartz: Weil ich Bonner bin. Ich trete mit jeder Phase meines Herzens für meine Stadt ein. Beethoven ist eine große Chance für die Stadt. Bonn muss weiter auf der Kulturlandkarte stattfinden. Und ein Festspielhaus kann ja auch für andere Kulturprojekte genutzt werden.

Benndorf: Wir sind ja auch für das Festspielhaus - wenn es nicht zu Folgekosten für die Stadt führt. Inhaltlich und vom Imageaspekt sind wir dafür. Aber es kann nicht sein, dass der Bürger überdimensional dafür zur Kasse gebeten wird.

Die Rock- und Popszene fordert doch auch schon seit Jahren eine Halle für Konzerte mit 1000 bis 2000 Zuschauern.

Hartz: Das stimmt. Für eine Stadt dieser Größe fehlt solch eine Halle.

Benndorf: Da bringt doch aber ein Festspielhaus auch nichts. Was fehlt, sind Spielstätten für Rock- und Popbands. Am Alten Schlachthof könnte etwa so was entstehen.

Ich sehe schon: Bei diesem Thema liegen Sie eigentlich gar nicht so weit auseinander. Sehen wir mal, wie es beim Urheberrecht ausschaut. Herr Benndorf, die Piraten fordern, "das nichtkommerzielle Kopieren, Zugänglichmachen, Speichern und Nutzen von Werken nicht nur zu legalisieren, sondern explizit zu fördern". Was halten Sie davon, Herr Hartz?

Hartz: Gar nichts. Denn die Musiker können von dem, was sie über Portale wie Spotify einnehmen, nicht leben. Der Künstler muss doch von dem, was er geschaffen hat, auch leben. Egal, ob Buch, Film oder Musik: Die Leute laden sich alles kostenlos aus dem Netz runter. Ich als Veranstalter merke das ja an den Gagen. Denn die Künstler müssen heute vor allem über Konzerte verdienen, weil der CD-Verkauf eingebrochen ist. Und: Steigen die Gagen, steigen die Konzerttickets.

Benndorf: Ich gebe Ihnen ja hundertprozentig Recht, aber jetzt kommt ein großes Aber. Ich stelle als Softwarehersteller digitale Landkarten her. Uns geht es ja auch so: Die Leute laden sich die Karten kostenlos im Internet runter. Wir, und damit meine ich die ganze Softwarebranche, mussten uns umstellen. Wir müssen mehr Dienstleistung anbieten. Das ist so ähnlich wie mit Ihren Gagen. Aber der faire Umgang mit den Informationen hat auch dazu geführt, dass die Software viel schneller weiterentwickelt wird. Vieles kann sich besser und kreativer entwickeln, wenn es keine rechtlichen Bremsen gibt.

Hartz: Die Frage ist doch, wo fängt kommerzielles Kopieren an und wo hört nichtkommerzielles Kopieren auf!

Benndorf: Das ist genau die große Frage. Aber wir müssen systematisieren und den Rechtsmissbrauch vom tatsächlichen Gedanken trennen. Wir sehen da drei große Bereiche: Beim persönlichen Urheberrecht kann jeder selbst entscheiden, unter welcher Lizenz er seine Informationen rausgibt. Es ist seine persönliche Freiheit, ob er sie gegen Entgelt oder frei zur Verfügung stellt. Daneben gibt es das Verwertungsrecht, wie etwa der Gema. Der dritte Bereich ist die Tauschbörse.

Hartz: Und das wollen Sie freigeben?

Benndorf: Nein, nicht wenn einer Musik anbietet, die geschützt ist. Aber der Jugendliche, der das für den persönlichen Gebrauch runterlädt, der muss straffrei ausgehen.

Hartz: Die Wertschöpfungskette ist ja schon unterbrochen.

Benndorf: Wissen Sie, durch wen die Kette unterbrochen wird? Durch Verwertungsgesellschaften wie die Gema! Das Wenigste kommt ja beim Künstler an!

Hartz: Das ist doch eine ganz andere Diskussion!

Benndorf: Nein, ist es nicht. Wir wollen, dass eine direkte Beziehung zwischen Künstler und Verbraucher da ist, dass die Verwertungsgesellschaften nicht die starke Stellung haben wie bisher. Es muss mehr Geld beim Künstler ankommen. Das ist unsere Hauptforderung.

Zu den Personen

Klaus Benndorf (58) ist gebürtiger Bonner, machte sein Abitur am Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasium und lebt in Poppelsdorf. Der Vermessungsingenieur hat ein IT-Unternehmen mit dem Schwerpunkt digitaler Landkarten, ist verheiratet und hat drei Kinder. Seine Hobbys sind Motorrad und Kanu fahren.

Ernst-Ludwig Hartz ist 53 Jahre alt, gebürtiger Bad Godesberger und lebt mit seiner Lebensgefährtin und deren Sohn in Rüngsdorf. Der Veranstalter und Kulturschaffende ist einer der Initiatoren des Kunst!Rasen in der Gronau. Seine Hobbys sind Musik und Reisen - "auch wenn das zu kurz kommt".

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