Nach Anschlag in Christchurch Muslime in Bonn sorgen sich um ihre Sicherheit

Bonn · Nach dem Attentat auf zwei Moscheen in Christchurch in Neuseeland machen sich auch die Muslime in Deutschland Sorgen um ihre Sicherheit. Ein Besuch in einem Bonner Gotteshaus.

Ein rundlicher heller Raum, gesäumt mit rotem Teppich. Das ist der Gebetsraum der Al-Muhajirin-Moschee an der Brühler Straße in Bonn. Unter der grün-goldenen Kuppel knien zwei Männer. Die Hände von sich gestreckt, richten sie sich mit geschlossenen Augen gen Mekka. Der Gemeindevorsitzende Mahmoud Kharrat erklimmt die Stufen zur Gebetskanzel. Von hier spricht er oft zu seiner Gemeinde. „Allahu Akbar!“, schallt es dann durch den Innenraum.

Ein friedlicher Ort, ein andächtiger Moment vor Allah. Aber ist der Ort noch so friedlich? Der Anschlag auf zwei Moscheen in Neuseeland hat Spuren hinterlassen. Die Ungewissheiten in den Gemeinden sind gewachsen. Wie sicher sind die Muslime noch in Deutschland? Wie reagiert der Staat und was wird gegen Nachahmer unternommen?

Mayzek fordert mehr Schutz

Für Aiman Mazyek tut der Staat bisher nicht genug. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime (ZMD) schlägt Alarm und fordert im Interview mit der „Heilbronner Zeitung“ mehr Schutz: „In den muslimischen Gemeinden leidet inzwischen das Vertrauen in die Arbeit der Sicherheitsbehörden. Viele haben das Gefühl, dass ihre Sorgen und ihr nachvollziehbares Sicherheitsbedürfnis nicht ernst genommen wird.“

Auch Horst Seehofer gibt nach dem Attentat auf die beiden Moscheen in Christchurch gegenüber der „Bild“-Zeitung zu, dass religiöse Einrichtungen Ziele von Terroristen sein könnten. Der Innenminister verspricht verstärkte Sicherheit, falls es Anhaltspunkte für eine mögliche Gefahr gäbe. Ein Fortschritt für den ZMD, der die Worte des Bundesinnenministers auf seiner Internetseite begrüßt.

Wie viel Einfluss kann Seehofer nehmen?

Beim Blick auf die polizeilichen Strukturen in Deutschland stellt sich aber doch die Frage, wie viel Einfluss Seehofer überhaupt auf die regionale Sicherheit nehmen kann. Ein Sprecher des NRW-Innenministeriums stellt gegenüber dem General-Anzeiger klar, dass die Sicherheit muslimischer Gemeinden allein Ländersache sei und dass die Schutzmaßnamen von Behörde zu Behörde unterschiedlich gehandhabt würden.

Jede Behörde in NRW habe einen Kontaktbeamten muslimischer Institutionen vor Ort, der als polizeilicher Ansprechpartner für die muslimischen Gemeinden da ist. „Wir wissen ja schon seit Jahren, dass Deutschland im Fadenkreuz von Terrorismus steht. Dementsprechend sind die Schutzmaßnamen auf einem hohen Niveau.“

Keine Anhaltspunkte für Gefährdung in Bonn

Angesprochen auf die jüngsten Ereignisse in Neuseeland erklärt der Sprecher, dass alle Polizeibehörden unmittelbar aufgefordert worden seien, noch sensibler in den muslimischen Gemeinden vorzugehen und die Sicherheit dort zu überprüfen. Wie genau die Maßnahmen für Bonn aussehen würden, wollte der Pressesprecher der Bonner Polizei nicht verraten.

„Die Objekte werden von uns besucht, und es wird vermehrt Streife gefahren. Allerdings gibt es keine konkreten Anhaltspunkte für eine Gefährdung in Bonn“, so der Sprecher. „Wir haben pro Behörde einen zuständigen Beamten, der mit den muslimischen Gemeinden im Austausch ist.“

"Die Moschee ist offen für alle"

In der Al-Muhajirin-Moschee sitzt der Gemeindevorsitzende Kharrat hinter seinem Schreibtisch. Die Fenster des Büros tragen Gitterstäbe und im Hintergrund leuchten kleine Bildschirme. Nicht weit vom Schreibtisch nimmt Sabri Shiref, ein Mitglied des Vorstands, Platz. Nachdenklich rührt er in seinem Kaffee. „Der polizeiliche Ansprechpartner ist oft zu Besuch in der Moschee gewesen“, erzählt Kharrat. Man habe gute Gespräche geführt. Vor ein paar Tagen seien andere Polizisten da gewesen. „Sie haben sich nach den Gebetszeiten erkundigt und gesagt, dass sie vor der Moschee Streife fahren werden. Einen neuen Kontakt, wo wir anrufen können, gab es auch.“

Kharrat legt die Visitenkarte auf den Tisch und zeigt auf die Bildschirme: „Wir haben natürlich Angst vor Salafisten und erlauben in unserer Moschee keine Radikalen, oder generell Menschen, die etwas Böses wollen. Auf dem Gelände sind überall Kameras. Es gibt drei Leute, die beobachten und Fremde kontrollieren.“ Shiref stimmt ihm zu: „Die Moschee ist offen für alle. Wir müssen trotzdem vorsichtig sein und unsere Augen immer aufhalten.“ Seit der Eröffnung des Gotteshauses vor sechs Jahren sei aber noch nichts passiert, bekräftigt Kharrat.

Emotionale Frage nach der Zukunft

Angesprochen auf die Zukunft der Muslime in Europa werden beide emotional. Shiref hebt seinen Kopf: „Seit 2001 werden wir Muslime als Terroristen angesehen. Dabei kann der Terror doch jeden treffen. Wenn ich höre, was in Europa mit Muslimen auf der Straße passiert, spüre ich Angst um meine Töchter. Sie tragen Kopftücher. Ich sage immer zu ihnen, gebt Acht! Es ist schade, dass Ihnen hier etwas passieren kann.“

Für Kharrat ist die Sache klar. Eine Hauptschuld an islamfeindlicher Gewalt tragen die Medien: „Es gibt Radikale, die von den Medien heiß gemacht werden. Es wird mit Ängsten gespielt und erzählt, dass es in Deutschland zu viele Muslime gibt. Wir wollen einfach leben und andere leben lassen. Die Medien picken sich heraus, was sie haben wollen und verdrehen die Tatsachen.“ Shiref wird deutlich: „Ich bin Deutscher und habe keine andere Staatsbürgerschaft. Das ist auch mein Land. Wir müssen aufpassen, dass es am Ende nicht so verläuft wie mit den Juden damals.“ Kharrat, der seit 40 Jahren in Deutschland lebt und das Land als seine Heimat bezeichnet, fordert: „Wir müssen als Gesellschaft mehr zusammen halten!“

Angst um die eigenen Kinder

Das Freitagsgebet steht an. Nach und nach fahren Autos mit Familien auf den Parkplatz der Moschee. Ein Mann steigt mit seinen zwei kleinen Töchtern aus und geht zum Eingang. Der 38-Jährige hat Angst um seine Kinder. „Ich denke schon an das Attentat, aber es wird mich jetzt nicht davon abbringen, weiter hier hinzukommen.“ Auch eine junge Frau will sich das Beten nicht verbieten lassen: „Ich lebe einfach normal weiter“, sagt sie und verschwindet in der Moschee. Zwei Jugendliche zeigen stolz ihre Kopftücher. Sie hätten keine Angst, und Gewalt hätten sie auch noch nicht erleben müssen, sagen die 16-Jährigen.

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