Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour Mittler zwischen den Welten

BERLIN · Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour reiste nach dem Fall von Kundus in die Region zum zwölften Mal in elf Jahren: Omid Nouripour kennt sich in Afghanistan bestens aus. Gerade erst ist er von seinem jüngsten Besuch wiedergekommen. "So schlecht war die Stimmung im Land noch nie", erzählt er.

 Omid Nouripour

Omid Nouripour

Foto: dpa

Als der außenpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag im vergangenen Jahr, kurz vor den Präsidentschaftswahlen, in das von Krieg und Krisen zerrütte Land nach Afghanistan reiste, war das Bild noch ein ganz anderes. Er traf auf eine Bevölkerung, die voller Hoffnung und Zuversicht war. "Die Stimmung im Land war historisch gut", sagt er. Das habe sich geändert.

Die ökonomische Situation sei auf einem absteigenden Ast, die Sicherheitslage immer angespannter. Dass ausgerechnet die Stadt Kundus, in der deutsche Soldaten bis vor zwei Jahren ein Feldlager bezogen hatten, Ende September für kurze Zeit in die Hände der Taliban gefallen war, zerstörte auch die letzte Hoffnung im Land. "Die Stimmung ist fast exodusartig."

In Teheran geboren, kam der Deutsch-Iraner 1988 mit seinen Eltern nach Frankfurt am Main, begann sein Studium der Deutschen Philologie mit den Nebenfächern Politik- und Rechtswissenschaft in Mainz, später kamen noch die Fächer Soziologie, Philosophie und Volkswirtschaftslehre hinzu. Einen Abschluss machte er nicht, ging dafür in die Politik. Seine politische Karriere startete der bekennende Fan von Eintracht Frankfurt 1996 bei den Grünen, war Vorsitzender der Grünen-Jugend Hessen, seit neun Jahren ist er Mitglied des Bundestags. In seiner Aufgabe als außenpolitischer Sprecher hat er sich vor allem mit der Entwicklung im Nahen Osten beschäftigt, sprach sich im vergangenen Jahr - entgegen der allgemeinen Partei-Linie - für Luftschläge gegen den Islamischen Staat aus. "Dass jetzt Kundus in die Hände der Taliban gefallen ist, ist katastrophal für Afghanistan."

Die Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr - in die Stichwahl gingen Abdullah Abdullah und Aschraf Ghani - sollte ein Wendepunkt sein. Es dauerte ein halbes Jahr, bis sich Abdullah und Ghani in vielen Disputen um Betrug und falsche Auszählungen auf den Ausgang der Wahlen einigen konnten. Ghani wurde Staatsoberhaupt, Abdullah Regierungschef. "Wir haben das letzte Jahr komplett verschwendet", erzählte Abdullah jetzt Nouripour. Die Folge: Rund 10 000 Anträge auf Reisepässe gebe es täglich, bei seinem letzten Besuch vor drei Monaten seien es 600 gewesen. "Die Leute wollen nur noch weg aus dem Land."

Und dies sei ein massives Problem für Afghanistan. "Hochausgebildete Afghanen verlassen ihre Heimat. Viele von ihnen sind aber wichtig, um das Land zu stabilisieren und wiederaufzubauen", erzählt der 40-Jährige, nicht ohne einen Hinweis auf und Verständnis für zahlreiche Einzelschicksale. So seien bei Plünderungen in Kundus auch Listen von Mitarbeitern der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) von den Taliban gestohlen worden. "Diese Menschen sind natürlich jetzt gefährdet", sagt er.

Afghanische Sicherheitskräfte, die in den vergangenen Jahren auch von deutschen Spezialkräften ausgebildet wurden, seien längst nicht in der Lage, für Stabilität im Land zu sorgen. "Wir haben die Menschen dort lange nicht so ausgebildet, wie es möglich gewesen wäre", sagt Nouripour und verweist auf Gespräche in den kommenden Wochen innerhalb der Parteien, wie es in Afghanistan weitergehen soll. "Ich glaube, dass es nach den aktuellen Entwicklungen mehr Fürsprecher für eine Verlängerung der Mission geben wird", so Nouripour. Der Grünen-Sprecher ist einer davon.

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