Gespräche bis 16. November Merkel will bei Sondierung nichts von Neuwahlen hören

Berlin · Bei den Jamaika-Gesprächen geht's jetzt ans Eingemachte. Zum Start der heißen Verhandlungsphase werden Kompromisssignale gesendet. Aber ob eine Einigung bis zum 16. November klappt, ist offen.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel und die CDU-Vizevorsitzenden Armin Laschet und Julia Klöckner beraten über den Fortgang der Sondierungsverhandlungen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel und die CDU-Vizevorsitzenden Armin Laschet und Julia Klöckner beraten über den Fortgang der Sondierungsverhandlungen.

Foto: Michael Kappeler

Mit einer Chef-Runde zu den Knackpunkten sind Union, FDP und Grüne in die entscheidende Phase der Jamaika-Sondierung gestartet.

CDU-Chefin Angela Merkel will am heutigen Abend im Kanzleramt mit dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer, dem Grünen-Spitzenduo Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir sowie FDP-Chef Christian Lindner und FDP-Vize Wolfgang Kubicki jene Schwerpunkte festlegen, die während der Sondierung noch geklärt werden müssen. Zugleich warnte sie davor, für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen immer wieder eine vorgezogene Neuwahl ins Spiel zu bringen.

Noch würden keine Koalitionsverhandlungen geführt, aber: "Wir wollen auch die Knackepunkte jetzt schon herausarbeiten", erklärte Merkel am Abend via Facebook. Dies werde bis Ende dieser, Anfang nächster Woche geschehen. "Und dann geht es in die Endrunde, denn am Donnerstag, dem 16. November, wollen wir fertig sein mit allem. Und da steht noch viel Arbeit an." Öffentliche Stellungnahmen waren am Abend nach der Spitzenrunde um Merkel nicht erwartet worden.

In einer Sitzung des CDU-Vorstands sagte Merkel nach Angaben von Teilnehmern angesichts immer neuer FDP-Gedankenspiele zu Neuwahlen, auch die CDU müsse ein Jamaika-Bündnis nicht um jeden Preis eingehen. Es sei aber nicht klug, ständig öffentlich das Stichwort Neuwahl zu nennen. Schließlich hätten alle Partner auch die staatspolitische Verantwortung, eine stabile Regierung zustande zu bringen. Lindner hatte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe am Wochenende gesagt, seine Partei habe "keine Angst vor Neuwahlen".

In kleiner Sondierungsrunde soll an diesem Dienstag zunächst über die Themenblöcke Europa, Außen und Verteidigung, Bildung, Forschung und Digitales sowie Familie und Frauen gesprochen werden. Merkel nannte die Bereiche Finanzen, Klimaschutz, Zuwanderung und gleichwertige Lebensverhältnisse als für die Union besonders wichtig.

Beim Thema Finanzen geht es nach Merkels Worten um die Frage, wie Spielräume so aufgeteilt werden könnten, dass für alle Partner Schwerpunkte umgesetzt und zugleich ein ausgeglichener Haushalt sichergestellt werden könne. Beim Klimaschutz werde es nicht einfach, die unter ihrer Kanzlerschaft festgelegten sehr anspruchsvollen Ziele einer 40-prozentigen Emissions-Reduzierung bis 2020 umzusetzen.

Merkel betonte nach Angaben von Teilnehmern in einer Sitzung der Unionsfraktion, sie gehe in die Verhandlungen mit dem Vorsatz, dass es gelingen könne. Die Kanzlerin wurde mit den Worten zitiert: "Ich will das." Man müsse den Anspruch haben, die Gespräche zum Erfolg zu führen, sonst könne man es gleich sein lassen. Die Frage, wo die Verhandlungen tatsächlich stünden, hänge nicht von der Zahl der Interviews oder der einen oder anderen Drohung ab.

In der Union wird befürchtet, eine vorgezogene Bundestagswahl bei einem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen könnte zu einer weiteren Stärkung der Rechtspopulisten von der AfD führen. Nach einer am Montag veröffentlichten Forsa-Umfrage im Auftrag der Mediengruppe RTL würde sich das Ergebnis bei einer Neuwahl kaum vom Resultat der Bundestagswahl vom 24. September unterscheiden.

SPD-Chef Martin Schulz warf den Jamaika-Parteien vor, respektlos mit dem Wählervotum umzugehen. Huldvolles Winken vom Balkon sei zu wenig: "Das kenne ich von den Royals in London." Man könne nur hoffen, dass sich die Unterhändler nun zusammenrauften. "Sonst werden die Wähler das Wort haben", sagte Schulz mit Blick auf Neuwahlen.

Zu den strittigen Themen zählt die Klima- und Energiepolitik - ein zentrales Thema zwischen Liberalen und Grünen. Die FDP plädierte erneut dafür, die deutschen Klimaschutzbemühungen zu verlangsamen. Generalsekretärin Nicola Beer sagte, die FDP wolle die international vereinbarten Klimaziele für die Jahre 2050 und 2030 einhalten, aber sie stellte das deutsche Ziel für 2020 in Frage.

Das sorgte für Widerstand bei Grünen und CDU. Anders als die FDP stehe die Union zum nationalen Klimaziel, die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent zu verringern, sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU). Er könne sich "beim besten Willen nicht vorstellen, dass wir in einer Koalition mit den Grünen hinter den Zielen zurückbleiben können, die wir in der großen Koalition schon formuliert haben".

Grünen-Chefin Simone Peter sagte, die FDP müsse den Klimaschutz mittragen - "sonst sind die Sondierungen schnell am Ende". Sie kritisierte zudem eine "Unernsthaftigkeit" der FDP. "Mit Flip-Flops den steilen Berg besteigen macht keinen Sinn."

Grünen-Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter deutete im Streit über den Kohleausstieg Kompromissbereitschaft an. Er sagte der "Passauer Neuen Presse", die 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke müssten schnellstmöglich vom Netz, damit Deutschland das Klimaziel 2020 erreiche. "Entscheidend ist aber vor allem, dass insgesamt weniger Kohle verfeuert wird, um die CO2-Minderungsziele zu erreichen. Wir können den Klimaschutz auch durch strengere CO2-Grenzwerte oder die Drosselung der Produktion von schmutzigem Strom verbessern."

Nach dem Pariser Klimaabkommen müssen die Teilnehmerstaaten unter anderem Einsparziele für Treibhausgase für das Jahr 2050 formulieren. Das deutsche CO2-Sparziel für 2020 gilt nach aktuellem Stand als nur noch schwer erreichbar. Parallel zu den Jamaika-Sondierungen begann am Montag die Weltklimakonferenz in Bonn. Die nach Teilnehmerzahl bisher größte Konferenz auf deutschem Boden soll in den nächsten zwei Wochen einheitliche Regeln dafür erarbeiten, wie die einzelnen Länder ihren CO2-Ausstoß messen und angeben.

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