Bundestagswahl 2017 Merkel bleibt äußert sich nur vage

Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt während ihrer Sommer-Pressekonferenz eine ihrer bewährtesten Eigenschaften: Sie ist eine Meisterin des Ungefähren.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte: "Dass Berlin einen größeren Flughafen braucht, ist glaube ich unstrittig. Es wäre schön, der würde auch fertig."

Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte: "Dass Berlin einen größeren Flughafen braucht, ist glaube ich unstrittig. Es wäre schön, der würde auch fertig."

Foto: Michael Kappeler

Das hier ist kein Angriff. Das hier ist auch nicht Wahlkampf. Das hier ist einfach kontrolliertes Vorabendprogramm – und das an einem Vormittag. Die Frau in dem orangefarbenen Blazer, 26 Tage vor der Bundestagswahl angetreten, um ihre „Darlegungen“, wie sie ihre Zukunftsideen etwas blutleer umschreibt, zu erklären, verwaltet einfach ihren Vorsprung. Es fühlt sich irgendwie nach 75. Spielminute an, 2:0-Führung für die Heimmannschaft. Eintracht Merkel, mit drei Titeln im Rücken, hält den Ball in der neutralen Zone – weg von der eigenen Strafraumgrenze, ohne den echten Willen, nach vorne mehr als unbedingt notwendig zu riskieren.

Etwa 15 Prozentpunkte trennen Angela Merkel, Bundeskanzlerin mit dem Willen zu einer vollen vierten Amtszeit, nach letzten Umfragen von Martin Schulz, Herausforderer der SPD. An diesem Sonntag treffen die beiden das einzige Mal direkt in einem Fernsehduell aufeinander. Merkel hat sich einem zweiten Duell verweigert, wie ihr überhaupt vorgeworfen wird, die Bedingungen für dieses TV-Duell allzu sehr diktiert zu haben. Merkel findet daran nichts Schlimmes: „Es ist guter Stil, dass man über die Modalitäten spricht, wie die Dinge ablaufen können“. Denn: „Ich glaube, es ist doch immer so, dass es jemand gibt, der einlädt, und dann sagt man Ja oder Nein.“ Merkel hat Ja gesagt – zu ihren Bedingungen.

Aber jetzt hat die Bundeskanzlerin erst einmal Aufschlag in der Bundespressekonferenz vor rund 250 Korrespondenten. Knapp vier Wochen vor der Wahl sei dies „ein denkbar spannender Zeitpunkt“, findet Merkel. Doch die CDU-Vorsitzende wird in den kommenden 111 Minuten selbst nicht mehr allzu viel dazu beitragen, tatsächlich Spannung in diesen Wahlkampf zu bringen. Man kann sich in diesen knapp zwei Stunden leicht ausmalen, wie schwer sich SPD-Kanzlerkandidat Schulz am Sonntag tun wird, Merkel beim TV-Duell zu stellen oder aus der Reserve zu locken.

Merkel wartet ab, sie regt nicht auf, sie spitzt nicht zu. Provokation ist ohnehin nicht ihre Sache. Sie verströmt die Aura einer Amtsinhaberin, die es in bislang bewährter Manier wieder zuerst über die Ziellinie am 24. September schaffen will. Staatsfrau, Regierungschefin und ein wenig auch noch CDU-Vorsitzende. „Sie kennen mich“, hatte sie im vergangenen Bundestags-Wahlkampf gesagt. Ein schöner Slogan: Merkel, da weiß man, was man hat. Es hat gewirkt. Merkel schrammte denkbar knapp an der absoluten Mehrheit vorbei: 41,5 Prozent. Es soll auch dieses Mal wieder wirken.

Merkel ist eine Meisterin des Ungefähren. Daran kann sich ein Herausforderer die Zähne ausbeißen. Jetzt, da die Modalitäten des TV-Duells geklärt seien, sagt sie: „Das heißt, dass ich mich auf das Duell freue.“ Fast will man ihr das glauben. Den Vorwurf, sie erwähne noch nicht einmal den Namen ihres Herausforderers, entkräftet sie so: „Ich habe extra heute schon einmal ,Martin Schulz' gesagt.“ Das stimmt, aber sie weiß auch, dass sie den SPD-Herausforderer mit solchen Sätzen klein hält.

Und dann leitet sie mit zwei Themen in ihre Sommer-Pressekonferenz ein, bei denen sie zwei Rollen betonen kann: Führungsfigur in Deutschland wie in Europa. Libyen-Flüchtlingskonferenz und Diesel-Gipfel. Merkel gibt beim Diesel sachte die Vorstandsvorsitzende der Deutschland AG. Verantwortung für das große Ganze. Problemlösung ja, aber sie soll auch nicht fürchterlich wehtun. Also werde sie alles daran setzen, Fahrverbote in deutschen Innenstädten zu vermeiden. Noch kommenden Montag will sich Merkel mit den Oberbürgermeistern jener Städte treffen, die solche Fahrverbote wegen der Stickstoffdioxidbelastung planen. Jawohl, die deutsche Autoindustrie müsse auf emissionsarme und später auch emissionsfreie Antriebe umstellen, aber der Diesel werde als Übergangstechnologie noch gebraucht. Sie werde bei der Internationalen Automobilausstellung „nicht anders reden als auf Marktplätzen“.

In der Flüchtlingspolitik will sich Merkel nicht darauf festlegen lassen, von ihrem Kurs der großzügigen humanitären Hilfe für letztlich Hunderttausende Flüchtlinge nach Deutschland tatsächlich wieder abgerückt zu sein. „Also, ich arbeite nicht mit diesen Begriffen“, sagt Merkel. Superlative helfen meist nicht bei der Problemlösung, wie das Abrücken von CSU-Chef Horst Seehofer vom Begriff der Flüchtlingsobergrenze unlängst gezeigt hat. Sie habe im September vor zwei Jahren in einer „humanitären Ausnahmesituation“ gehandelt, und nun müsse dafür gesorgt werden, dass die Staaten Afrikas sich selbst helfen könnten und den Schleusern das Handwerk gelegt werde.

Ob sie die Republik womöglich im Schlafmodus wiege oder mit der Art ihres Wahlkampfes für Langeweile sorge, sind für Merkel keine Kategorien. Die Amtsinhaberin sagt: „Wenn man sich gegenseitig beschimpft, ist das nicht meine Vorstellung von Wahlkampf.“ Die Kanzlerin sagt dann noch einmal zum möglichen (Nicht-)Unterhaltungswert des TV-Duelles mit Schulz: „Also, ich gebe mein Bestes.“ Sie übe ihr Amt mit Freude aus. Und wolle, sollte sie wieder gewählt werden, auch volle vier Jahre bleiben. Versprochen, Kanzlerin-Ehrenwort.

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