Generaldebatte im Bundestag Keine Spur von Amtsmüdigkeit bei Angela Merkel

Berlin. · Falls die SPD bald aus der Koalition aussteigen sollte, hätte die Kanzlerin zum letzten Mal im Bundestag ihre Politik verteidigt. Doch Merkel ist für den Fortbestand der Groko. Sie tritt befreit auf, setzt klare Botschaften und schließt mit Heiterkeit.

 Angriffslustig: Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstagmorgen im Bundestag während der Generaldebatte zum Bundeshaushalt 2020.

Angriffslustig: Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstagmorgen im Bundestag während der Generaldebatte zum Bundeshaushalt 2020.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Es entbehrt nicht der Komik, wenn der Chef die Leitlinien für die nächsten Monate zieht und betont, er jedenfalls mache mit. Ist doch eigentlich selbstverständlich. Nicht so in der großen Koalition.

Am Samstag soll bei der SPD feststehen, ob zwei Groko-Befürworter oder zwei Kritiker die Partei führen werden. Kurz darauf wird das Sieger-Duo bei einem Parteitag bestätigt und über die Zukunft der Koalition zur Halbzeit entschieden.

Mag sie auch Kanzlerin sein, in der Hand hat Angela Merkel (CDU) es nicht, was bei der SPD passiert. So bleibt der Regierungschefin am Mittwoch in der Generalaussprache über den Bundeshaushalt am Ende ihrer Aufgabenliste nur die Versicherung, dass jedenfalls sie die Koalition weiterführen möchte. Diese habe viel begonnen, aber vieles sei noch offen: „Deshalb finde ich, wir sollten die Legislaturperiode lang weiterarbeiten. Meine persönliche Meinung. Ich bin dabei.“

Merkel galt lange nicht als gute Rednerin, oft hat sie vom Blatt abgelesen, nicht selten wirkte sie erschöpft. Jetzt, zum Ende ihrer Kanzlerschaft, tritt sie befreit auf, das Manuskript vor ihr auf dem Pult blättert sie zwar um, aber sie schaut nicht wirklich drauf. Sie hält ihre Rede frei, setzt klare Botschaften und schließt mit Heiterkeit – trotz aller Schwere der Themen wie die Schwächen der Nato, die Erderwärmung, Europas Uneinigkeit im Umgang mit China, dem Auseinanderdriften von Stadt- und Land-Bevölkerung am Beispiel Windenergie und den Protesten der Bauern. „Ich bin dabei.“ So sehr vor allem bei Linken, FDP und AfD und auch in manchen Teilen der Union das vorzeitige Aus Merkels herbeigesehnt wird – amtsmüde ist sie nicht.

Kämpferisch hält sie der AfD entgegen, die Meinungsfreiheit werde in Deutschland nicht eingeschränkt. Nur: „Wer seine Meinung sagt (...), der muss damit leben, dass es Widerspruch gibt. Es gibt keine Meinungsfreiheit zum Nulltarif.“ Und die Grenze der Meinungsfreiheit bestehe da, wo gehetzt und Hass verbreitet und die Würde anderer Menschen verletzt werde. Der Bundestag müsse sich dagegen stellen. „Denn sonst ist diese Gesellschaft nicht mehr das, was sie mal war.“ An dieser Stelle applaudieren alle bis auf die AfD.

Die Grünen werfen Merkel vor, dass das Klimaschutzpaket in zweistelliger Milliardenhöhe viel zu klein sei und noch schön gerechnet werde. So seien ein erheblicher Teil des Geldes für angeblich neue Investitionen in Wahrheit längst geplante Ausgaben, nur mit neuem Etikett. Der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland erklärt die Energiewende für gescheitert: „Selbst wenn unser Land morgen zu existieren aufhörte, wären die Auswirkungen auf die Welttemperatur praktisch nicht nachweisbar.“

FDP-Chef Christian Lindner empört sich, diese Bundesregierung gehe schlafwandlerisch auf einen Wirtschaftsabsturz zu. Er warnt: „Wer die Wirtschaft links liegen lässt, darf sich über Probleme von rechts irgendwann nicht wundern.“ Ein Grundproblem der Politik der vergangenen Jahre sei, dass Menschen der Respekt vor ihrer Art zu leben und zu wirtschaften versagt werde. Viele im Bundestag wüssten nicht, was die Lebenswirklichkeit sei. Raunen im Saal. Das wird mitunter auch bei Lindner bezweifelt.

Mit Blick auf den bevorstehenden Nato-Gipfel und die scharfe Kritik des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der das Militärbündnis als „hirntot“ bezeichnet hat, geht Merkel lange auf die Militär- und Rüstungspolitik ein. Sie ruft zur Übernahme von mehr Verantwortung im Bündnis und zur kontinuierlichen Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf. Sie mahnt: Europa kann sich derzeit nicht allein verteidigen.

SPD-Fraktionschef Rolf Mütze­nich wirft CDU und CSU ein Streben nach militärischer Dominanz vor. Die SPD wolle eine Dominanz in der Diplomatie und der zivilen Auseinandersetzung mit humanitären Krisen, sie wolle Abrüstung und keine neuen Rüstungswettläufe. Er gehört aber zu jenen Sozialdemokraten, die die begonnene Arbeit auch gern vernünftig abschließen würden. Linksfraktionschef Dietmar Bartsch ruft hingegen: „Spielabbruch und neue Mannschaften wären das Beste.“

Die Kanzlerin versichert aber, die Koalition habe sich bei der Grundrente geeinigt, dann werde sie es auch bei anderen Probleme schaffen. Wie gesagt, sie sei dabei. Und ihr Schusssatz gehört der SPD:  „Schön, wenn Sie’s auch sind.“

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