Kommentar zu AKK und dem Internet Mehr Gelassenheit

Meinung | Bonn · Hat Annegret Kramp-Karrenbauer die Meinungsfreiheit für Influencer infrage gestellt? Nein, hat sie nicht. Sie hat etwas ungeschickt herumgeredet und meinte doch eigentlich etwas sehr Richtiges. Ein Kommentar von GA-Chefredakteur Helge Matthiesen.

Es braucht in Deutschland in den Tagen nach einer Wahl mit – sagen wir mal – einem etwas ungewöhnlichen Ergebnis nur eine missverständliche Äußerung und schon redet alles durcheinander.

Hat Annegret Kramp-Karrenbauer die Meinungsfreiheit für Influencer infrage gestellt? Nein, hat sie nicht. Sie hat etwas ungeschickt herumgeredet und meinte doch eigentlich etwas sehr Richtiges: Fairness ist in der Politik und vor allem in Wahlkämpfen wichtig. Vor Jahren gab es eine ungeschriebene Regel, dass am Tage vor der Wahl und am Wahltag selbst keine Umfrage mehr auf den Markt gebracht wird und die Politikberichterstattung ruht. Das hatten sich die Medien selbst so ausgedacht, aus Respekt vor den demokratischen Parteien und um den Wählern einen Tag zu geben, einmal selbst zu denken. Diese Regel ist einfach verschwunden und es ist unwahrscheinlich, dass sie jemals wieder zum Leben erwacht. Freiwillige Selbstbeschränkung widerspricht dem Wesen aller neuen Medienkanäle.

Die CDU-Vorsitzende hat sich außerdem den falschen Gegner ausgesucht. Der war schon gereizt, weil es das neue Urheberschutzgesetz gibt, weil die CDU es irgendwie immer besser wusste und weil ihm in der Schule offenbar niemand jemals erklärt hat, dass Politik die Kunst des Machbaren ist und nicht die Dominanz des Wünschenswerten. Das mag man unreif finden oder erfrischend. Es ist, wie es ist. Diese Haltung paart sich mit einer unglaublichen medialen Macht, die sich bisher in harmlosen Spielchen, seichten Scherzen, Musikhinweisen und Schminktipps erschöpfte. Plötzlich entdeckt das Netz die eigene Macht und die Politik, und schon ist die Aufregung groß, denn die Politik hatte das übersehen, übrigens nicht nur Frau Kramp-Karrenbauer. Nachdenken hilft eigentlich immer, und deswegen sollte die herkömmliche Politik gut zuhören, was diese jungen Leute so zu sagen haben.

Eine Reihe von Influencern pflegt selbst die klare Ansage. Da belebt es doch die Demokratie, wenn die Politiker sie als Sensoren begreifen, als Volkes junge Stimme. Vielleicht werden hier Dinge gesagt, die Bedeutung haben oder bekommen. Bisher wollen die Rezos, Bibis und wie sie alle heißen mit ihren Youtube-Kanälen die Republik ja nicht stürzen. Die meisten sind halt brave Bürgerkinder und bisweilen durchaus gewinnorientiert.Was spricht dagegen, sie als junge Erwachsene einfach ernst zu nehmen und ihnen zu erlauben, ihre Interessen zu formulieren?

Und auch über Fairness darf man weiter nachdenken. Die kommt nicht von allein, aber man darf sie fordern und fördern. Zum Beispiel mit Gelassenheit.

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