Machtkampf auf offener Bühne Die CDU kämpft um Merkels politisches Erbe

Berlin · Vor der Wahl in Thüringen bemühte sich die Union, ihre Reihen geschlossen zu halten. Nun, da das Ergebnis niederschmetternd ist, bricht sich harsche Kritik Bahn. Sie gilt dem Kurs der Partei. Und ihren beiden wichtigsten Führungspersonen.

 Angela Merkel sicherte der Union seit 2005 die Regierungsmacht.

Angela Merkel sicherte der Union seit 2005 die Regierungsmacht.

Foto: dpa/Jörg Carstensen

Ist schon wieder Zeitenwende? Die Stimmung in der CDU nach der Thüringen-Wahl erinnert in vielen Details an die aufregenden Tage nach der Landtagswahl in Hessen vor einem Jahr. Damals überraschte Parteichefin und Bundeskanzlerin Angela Merkel Freund und Feind mit der Ankündigung, den Parteivorsitz abgeben zu wollen. Hinter den Kulissen hatten der Wirtschaftsflügel der Union und jene, die noch nie mit Merkels Euro- und Flüchtlingspolitik einverstanden waren, Friedrich Merz als möglichen neuen Parteichef in Stellung gebracht. Merkel spürte den Druck und ging freiwillig vom Hof.

Nun sind wieder die gleichen Kräfte am Werk, die ein vorzeitiges Ende von Merkels Kanzlerschaft erwirken wollen. Merz packte im ZDF die große Keule aus. Er warf Merkel „Untätigkeit und mangelnde Führung“ vor, die sich wie ein „Nebelteppich“ über das Land lege. „Ich kann mir schlicht nicht vorstellen, dass diese Art des Regierens in Deutschland noch zwei Jahre dauert bis zum Ende der Wahlperiode“, sagte er.

Auch der Vorsitzende der CDU/CSU Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, und der Chef des Parlamentskreises Mittelstand, Christian von Stetten, äußern ihre Kritik an Merkel erneut massiv. „Allein die Tatsache, dass im CDU-Bundesvorstand ernsthaft über eine mögliche Zusammenarbeit mit den Kommunisten der Links-Partei diskutiert wurde, zeigt doch, in welche falsche Richtung sich die Parteiführung und das Kanzleramt entwickelt haben“, sagte von Stetten unserer Redaktion. „Ich bin nicht bereit, diese Entwicklung widerspruchslos zu akzeptieren.“

Auch die WerteUnion stößt ins Horn: Merkel muss weg. „Die Partei hat viel zu lange die Politik des Kanzleramts mitgetragen und so zugelassen, dass sich die Union zunehmend von ihren Wählern entfremdet“, sagte ihr Vorsitzender, Alexander Mitsch. „Es ist daher jetzt dringend an der Zeit, die inhaltliche und personelle Politikwende im Kanzleramt auf den Weg zu bringen.“

Die Kritiker zielen auf Merkel, meinen aber auch Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer. Wenn es ihr gelinge, die CDU wieder satt über 30 Prozent zu bringen, dann könne sie auch Kanzlerkandidatin werden, so die Ansage. Bleiben die Umfragewerte aber im 20er Bereich, dann müsse jemand anderes für das Kanzleramt kandidieren. Eigentlich eine Binsenweisheit. In der Kombination mit dem Vorhaben, Merkel möglichst schnell los zu werden, sinken auch die Chancen der Parteichefin als Kanzlerkandidatin anzutreten. Binnen weniger Wochen wird sie die Stimmung kaum drehen können.

Als mögliche Kanzlerkandidaten sind drei Männer aus dem mächtigen Landesverband NRW im Rennen: Ministerpräsident Armin Laschet, Gesundheitsminister Jens Spahn sowie der amts- und mandatslose Friedrich Merz. Doch so lange die drei potenziellen Kandidaten jeder auf eigenem Ticket unterwegs sind, werden sie auch einer schwachen Parteichefin die Kanzlerkandidatur nicht streitig machen können. In dem Augenblick, in dem sie sich verbünden und einen von ihnen als Kandidaten fürs Kanzleramt auswählen, wäre alles möglich.

Doch bislang fahren die Konkurrenten sehr unterschiedliche Strategien. Merz tritt als klarer Kontrahent gegen Merkel auf. Das Tischtuch zwischen beiden ist irreparabel zerschnitten. Der Sauerländer greift frontal an, um sie öffentlich zu schwächen. Die Parteivorsitzende nimmt er offiziell von der Kritik aus. Nach AKKs Sieg im Kampf um den Parteivorsitz haben die beiden Waffenstillstand geschlossen. Zu Laschet und Spahn ist ihr Verhältnis eher angespannt.

CDU-Vize-Chef Laschet muss sich schon aus Status-Gründen im Rennen halten. Einer der schwerwiegendsten Fehler seiner Vorgängerin in der Staatskanzlei, Hannelore Kraft , war ihre Aussage, niemals nach Berlin gehen zu wollen. Laschet scheint über diese Pflichtübung hinaus Gefallen an dem Gedanken gefunden zu haben, als Kanzlerkandidat anzutreten. Jedenfalls lässt er wenige Gelegenheiten aus, die Schwäche der Konkurrentin öffentlich anzusprechen.

Jens Spahn wiederum setzt ganz auf das Ticket des erfolgreichen Gesundheitsministers, dessen Sympathiewerte in Partei und Bevölkerung deutlich gestiegen sind. Derweil knüpft er seine ohnehin exzellenten Netzwerke weiter und äußert sich jenseits der Gesundheitspolitik nur in homöpathischer Dosierung. Zum aktuellen Aufruhr in der CDU sagte er am Dienstag: „Gute Sachdebatten mit Profil machen immun gegen Personaldebatten.“

Spahn weiß sehr wohl, dass die CDU nicht einfach eine Personaldebatte führt, sondern den Machtkampf um das Erbe einer Kanzlerin, die sich noch gar nicht beerben lassen will. Eben dieser Umstand ist die Schwachstelle im Plan ihrer Gegner. Die Verfassung der wehrhaften Demokratie sieht eine starke Stellung des Kanzlers vor. So lange Merkel nicht die Vertrauensfrage stellt, kann sie nur durch ein konstruktives Misstrauensvotum abgelöst werden. Es ist eine eher absurde Vorstellung, dass sich im Bundestag eine Mehrheit findet, die Merkel aus der Regierungsbank vertreibt und an ihre Stelle Spahn, Kramp-Karrenbauer, Laschet oder Merz wählt. Zumal die drei Letzteren noch nicht einmal ein Bundestagsmandat haben.

Unterdessen schwelt der Streit um eine mögliche Kooperation zwischen Linken und CDU in Thüringen weiter. Die CDU habe die Landtagswahl in Thüringen verloren, die Partei die Linke mit ihrem Spitzenkandidaten Bodo Ramelow gewonnen, sagte Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU). Von daher liege der Ball nun im Feld der Linken.

„In dieser schwierigen Verfassungssituation ist es selbstverständlich, dass der Oppositionsführer das Gesprächsangebot des Ministerpräsidenten annimmt. Dies ganz klar zum Wohle des Landes“, sagte Bouffier und stärkte dem Thüringer CDU-Chef Mike Mohring damit den Rücken.

Bouffier verwies auch darauf, dass die CDU Thüringen nochmals deutlich klargestellt habe, zur Haltung der CDU Deutschlands zu stehen, wonach mit der Linkspartei keine Koalitionen gebildet würden.

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