Bundeswehr Lücken bei Behandlung von psychisch erkrankten Soldaten

Berlin · Die Bundeswehr hat Probleme, bei psychisch erkrankten Soldaten eine ausreichende medizinische Behandlung zu gewährleisten. Denn derzeit sind etliche Stellen in den psychiatrischen Abteilungen nicht besetzt.

 Ein Soldat während der Nato-Übung "Trident juncture".

Ein Soldat während der Nato-Übung "Trident juncture".

Foto: dpa

Die Bundeswehr hat nicht nur bei Waffen und Gerät mit großen Lücken zu kämpfen, auch der zunehmenden Zahl von im Einsatz psychisch erkrankten Soldaten werden die medizinischen Versorgungsstrukturen nur unzureichend gerecht. Aus einer Antwort der Bundesregierung auf AfD-Anfrage geht hervor, dass derzeit nur knapp 76 Prozent der vorgesehenen Stellen in den psychiatrischen Abteilungen der Bundeswehrkrankenhäuser besetzt sind. Allerdings gehen davon noch alle Ärzte und Pfleger ab, die selbst im Einsatz, in Lehrgängen, in Urlaub oder krank sind. Nur 30 Prozent der eingeplanten Betten stehen auch tatsächlich zu Verfügung (48 statt 160).

Seit 2011 wurden demnach insgesamt 2311 einsatzbedingte psychische Neuerkrankungen diagnostiziert. Wie hoch die Zahl der unter posttraumatischen Belastungsstörungen leidenden Soldaten tatsächlich ist, kann nur geschätzt werden. Das Psychotraumazentrum der Bundeswehr kam in einer Studie zu der Einschätzung, dass bei jedem Rückkehrer aus dem Einsatz eine psychische Erkrankung vorliegt.

Rückgriff auf zivile Vertragsärzte

Der Rückgriff auf zivile Vertragsärzte wird von der Bundeswehr selbst als Überbrückung und Ausnahme angesehen. Tatsächlich hat sich nach der jüngsten Auflistung die Zahl der Behandlungen von Soldaten durch zivile Psychiater von 1564 im Jahr 2011 auf 7836 im vergangenen Jahr mehr als verfünffacht. Diese Zivilisten dürfen jedoch keine wehrmedizinischen Untersuchungen durchführen. Dafür fahren die Soldaten dann bis zu 138 Kilometer weit und müssen zwei bis drei Monate auf den ersten Termin warten. Die im Frühjahr eingerichtete Terminkoordinierungsstelle sollte die Wartezeit eigentlich auf drei Wochen verkürzen. Nach der jüngsten Erhebung des Verteidigungsministeriums wurde dieses Ziel weit verfehlt. Anschließend warten die Soldaten noch einmal im Schnitt 20 Monate auf die Bearbeitung ihrer Anträge.

In seinem Jahresbericht hatte der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels bereits die weiten Wege zu den Truppenärzten bemängelt und davon berichtet, dass einzelne Soldatinnen und Soldaten inzwischen auf die Krankmeldungen verzichten und sich Medikamente privat beschaffen. Bartels stellte insbesondere bei den psychisch erkrankten Soldaten fest, dass sich bei vielen die Erkrankungen chronifiziert hätten und es fraglich sei, "ob die Bundeswehr den bestehenden Behandlungsbedarf noch adäquat befriedigen kann". In der jüngsten Antwort verweist das Ministerium auf Baumaßnahmen an den Standorten der Bundeswehrkrankenhäuser, beantwortet die Frage nach dem Zeitpunkt, an dem eine Besserung zu erwarten ist, jedoch nicht.

Von Arztstellen nur 25 Prozent besetzt

Die 76 Prozent tatsächlich besetzter Stellen bilden lediglich einen Mittelwert. Von den Arztstellen sind nur 25 Prozent besetzt, bei den Weiterbildungsassistenten sind es 33 Prozent; lediglich bei den Psychologen gelten alle eingeplanten Stellen auch als tatsächlich besetzt.

AfD-Sozialexperte René Springer fordert vor diesem Hintergrund die Bundesregierung auf, "ihre Fürsorgepflicht endlich ernst zu nehmen". Die seit Jahren grassierenden Missstände müssten "endlich beseitigt" werden. Bis heute sei eine notwendige Strategie für die Behandlung und Versorgung psychisch erkrankter Soldaten "nicht im Ansatz vorhanden".

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