Landesparteitag der Grünen in Neuss Löhrmann: NRW-Wahl wird beinhart

Neuss · Die NRW-Grünen halten beim Landesparteitag in Neuss die Koalitionsfrage offen. Ein Jahr vor der Landtagswahl präsentiert sich die Ökopartei auch als Bürger- und Menschenrechtspartei.

 Umarmung nach der Wiederwahl: Die Grünen-Landesvorsitzenden Sven Lehmann und Mona Neubaur am Samstag in Neuss.

Umarmung nach der Wiederwahl: Die Grünen-Landesvorsitzenden Sven Lehmann und Mona Neubaur am Samstag in Neuss.

Foto: dpa

Im „verflixten siebten Jahr“ der rot-grünen Landesregierung prophezeit NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) eine „beinharte Auseinandersetzung“ bei der Landtagswahl 2017. Auf dem Landesparteitag der NRW-Grünen in Neuss bietet sich Löhrmann ihrer Partei erneut als Spitzenkandidatin an. Die grüne Frontfrau gibt den 280 Delegierten den Kurs vor: Grün will zeigen, dass NRW „mit viel Grün ein Modell für den Bund ist“. Die bisherige Doppelspitze der NRW-Grünen wird ohne Gegenkandidaten für zwei Jahre wiedergewählt. Sven Lehmann erhält 92,2 Prozent der Stimmen, Mona Neubaur 90,5 Prozent. Lehmann drängt 2017 in den Bundestag und will sein Vorsitzendengehalt im Landesverband von 4241 Euro brutto im Monat dann der Partei spenden.

Heimlicher Star der NRW-Grünen aber bleibt die stellvertretende Ministerpräsidentin Löhrmann. Die Spitzenkandidatin in spe bereitet die Landespartei kämpferisch auf eine Richtungswahl über die Zukunft von NRW vor. Während das Duo Laschet-Lindner das Land aus ihrer Sicht nur schlechtredet, lobt Löhrmann unbeirrt die Bilanz von Rot-Grün. „Die Richtung stimmt.“ Schließlich sei NRW das erste Land mit einem Klimaschutzgesetz und beschließe 2016 den bundesweit ersten Integrationsplan.

Dass die rechtspopulistische AfD in Umfragen aktuell die Grünen überflügelt, kratzt am Selbstbewusstsein der Ökopartei. Die Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Katrin Göring-Eckardt, wirft den Rechten in der Flüchtlingsfrage die Spaltung der Gesellschaft vor und setzt dem ihren grünen Integrationskurs entgegen. Die Berliner Politikerin, die symbolträchtig koalitionsoffen in Schwarz und Rot vor die Delegierten tritt, appelliert an die Basis, an politischen Visionen festzuhalten und mit kleinen Schritten voranzugehen. „Groß denken, etwas auf den Kopf stellen“, macht Göring-Eckardt den vom aktuellen Neun-Prozent-Umfragetief verunsicherten Grünen Mut. „Wer soll es hinkriegen, wenn nicht wir?“ Ein Jahr vor der NRW-Landtagswahl präsentieren sich die Grünen als Bürger- und Menschenrechtspartei. Die Delegierten verlangen im verabschiedeten Leitantrag enge Grenzen für die Videobeobachtung im öffentlichen Raum und kritisieren Pläne für Schulterkameras der Polizei. Mirco Kranefeld aus Gelsenkirchen wendet sich gegen die grüne Forderung nach einer Kennzeichnungspflicht für Polizisten. In Neuss bleibt der Polizist ein einsamer Rufer.

Der ehemalige Polizeipräsident von Münster, Hubert Wimber, warnt vor geistigen Brandstiftern von Rechtsaußen, die in der Sicherheitsdebatte reflexartig auf einen Überwachungsstaat hinwirkten. Wimber plädiert für einen Polizeibeauftragten und wirbt für die Einstellung zusätzlicher Polizisten, um vor allem in Ballungszonen in der Verbrechensbekämpfung aktiver zu sein. Die grüne Innenpolitikerin Verena Schäffer wehrt sich gegen Panikmache im Zusammenhang mit der Sicherheitslage. Grünen-Innenexpertin Monika Düker ist vorsichtiger und fordert in Zeiten des Terrors ein genaues Abwägen zwischen mehr Sicherheit und der Wahrung von Bürgerrechten.

In Neuss hält der mit 12 000 Mitgliedern größte Landesverband der Grünen die Koalitionsfrage offen. Wunschpartner SPD ja, aber andere Optionen nicht ausgeschlossen. Göring-Eckhardt spricht von „schwierigen Zeiten“ – und meint dabei wohl auch die Lage der Ökopartei. Rot-Grün hat derzeit keine Mehrheit in NRW – die Partei fürchtet den Marsch in die Opposition und dass sich SPD und CDU in eine große Koalition retten könnten. In Neuss besetzen die Grünen deshalb neben der Umwelt- und Bürgerrechtspolitik auch das Steuerthema. „Die Superreichen müssen sich mehr beteiligen an den Kosten der Daseinsvorsorge“, ruft Göring-Eckardt unter lautem Beifall der Delegierten. Der grüne Wahlkampf im Superwahljahr 2017 nimmt Formen an.

Bei der Vorbereitung der NRW-Landtagswahl grenzen sich die NRW-Grünen vorsichtig vom Koalitionspartner SPD ab. Grün fordert den schnellen Ausstieg aus der Braunkohle in den nächsten 20 Jahren und kritisiert Straßenausbaupläne sowie Nachtflüge an NRW-Flughäfen. „Ich möchte noch erleben, dass der Braunkohletagebau zugemacht wird“, ruft Löhrmann und trifft damit die Stimmung der Basis. Die Grünen sprechen sich für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und die Förderung der E-Mobilität aus.

Auch Grünen-Landeschef Lehmann räumt nachdenklich ein, dass der Ökopartei derzeit der Wind ins Gesicht weht. Sein Credo für die Grünen in schwerer Zeit: glaubwürdig bleiben.

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