Rede zum Auftakt in Berlin Lindner spricht beim FDP-Bundesparteitag chinesisch

Berlin · Zum Auftakt des Parteitages hat FDP-Chef Christian Lindner die chinesische Herausforderung als Gefahr für Wirtschaft und Wohlstand Deutschlands beschworen. Im Mittelpunkt des Jubels der Delegierten stand indes eine Frau aus Düsseldorf.

 Christian Lindner, Fraktionsvorsitzender und Parteivorsitzender der FDP, spricht beim 70. FDP-Bundesparteitag.

Christian Lindner, Fraktionsvorsitzender und Parteivorsitzender der FDP, spricht beim 70. FDP-Bundesparteitag.

Foto: dpa

Der Gag kommt gleich doppelt. Riesengroß prangt das Motto des Parteitages neben dem Eingang der Halle in der Station in Berlin. Doch keiner kann es lesen. Es sind chinesische Schriftzeichen. Und sie sollen übersetzt „Wirtschaftspolitik“ heißen. Und dann beginnt Parteichef Christian Lindner seine zentrale Rede mit der Feststellung: „Shehui yu jingji zai buduan bianhua, women yao yushi jujin.“ Offenbar hat sich Lindner vorgenommen, mit 40 zum altersweisen Konfuzius der deutschen Politik zu werden. Denn er übersetzt seine Worte mit: „Die Gesellschaft und die Wirtschaft ändern sich beständig, wir müssen mit den Zeiten Schritt halten.“

Das klingt abgeklärt und durchdacht. Und es führt zu den Mahnungen, dass China auf dem Weg sei, zum globalen Hegemon zu werden. Es führt zu den Warnungen, sich von der Kraft und den Innovationen des „gelben Mannes“, wie Lindner sagt, abhängen zu lassen. Es ist nicht der einzige Aspekt seiner Rede, die zunächst irgendwie nicht zünden will. Kopfschüttelnd beschäftigt er sich mit Bestrebungen, den Spargel mies zu machen. Höflicher Beifall. Er befasst sich mit dem Strategiepapier von Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Höflicher Beifall. Er befasst sich mit dem Bremer Unternehmer, der seinen Online-Shop wegen bürokratischer Vorgaben wieder aufgibt. Kaum Applaus.

Wenig Applaus für Lindner

Etwas lebendiger wird es im Saal, als Lindner auf die Auseinandersetzungen mit den Schülerprotesten eingeht. Wenn CDU, SPD und Grüne zu den Forderungen der Schüler nach einer 180-Euro-pro-Tonne-CO2-Abgabe schwiegen, bedeute das doch nicht, die Schüler ernst zu nehmen. Das tue er, wenn er die Forderung ablehne, das sie für eine vierköpfige Familie eine Zusatzbelastung von 8000 Euro im Jahr ausmache.

Nach gut einer Stunde hat er den einen oder anderen Applaus ernten können. Aber „mitreißend“ würde man diese Rede nicht nennen. Strebt Lindner eine Vernunftentscheidung bei den für den späten Nachmittag anstehenden Vorstandswahlen an? Schon zuvor hat er indirekt auf den Vorwurf mangelnder Empathie in seiner Amtsführung und seinen Äußerungen reagiert, indem er fragt, wo die Empathie anderer Parteien für die arbeitenden Menschen sei, die nach den Vorstellungen von Grünen-Chef Robert Habeck diejenigen mit 30 Milliarden finanzieren sollten, die keine Lust zum Arbeiten hätten.

Menge will jubeln

Lindner nähert sich dem gefühlten Ende seiner Rede, als er die Mitglieder des Präsidiums und deren Arbeit in den letzten zwei Jahren würdigt. Er ist fast durch, als es plötzlich zündet. Gerade hat er die „liebe Marie-Agnes Strack-Zimmermann“ erwähnt, als ein Jubelsturm losbricht. Stehend klatschen die Delegierten der Frau zu, die ihren Platz im Präsidium räumt, um es nicht zum Konflikt mit EU-Spitzenkandidatin Nicola Beer kommen zu lassen, die als Generalsekretärin aufhört und als Vize-Parteichefin weiter machen will. Minutenlang kommt Lindner nicht zu seiner Laudatio. Der Beifall hält an. Der Düsseldorfer Liberalen, die vor zwei Jahren noch das schlechteste Ergebnis der Vizevorsitzenden bekam, tut der jubelnde Dank der Parteifreunde sichtlich gut, sie klopft auf ihr Herz. Dann würdigt Lindner die „street credibility“, die die FDP durch die Düsseldorfer Kommunalpolitikerin seit Dezember 2013 an der Parteispitze bekommen habe. Sie gehöre zu denen, die den Nachweis führten, dass die FDP eben „nicht irgendein Haufen“ sei, in dem Menschen Politik als Beruf machten. Strack-Zimmermann habe Politik besonders in Zeiten der außerparlamentarischen Opposition als „Berufung“ betrachtet.

Der nochmalige Jubel veranlasst Lindner, blitzschnell umzuschalten. Da geht noch was in der Halle. Offenbar wollen die Delegierten jubeln. Nur hat er ihnen dazu bisher außer dem Dank an eine Scheidende noch keinen Anlass geliefert. Also dreht er noch einmal auf. Er greift sich die Wohnungs-Enteignungsdebatte in Berlin und spitzt im gewohnten Lindner-Stil zu. „Statt zu klauen sollten die bauen“, ruft er dem rot-rot-grünen Berliner Senat zu und animiert die Delegierten, einen Dringlichkeitsantrag zu unterstützen, der die Vergesellschaftung von Grund und Boden aus der Verfassung streichen soll. Auf die „linkspopulistische“ Enteignungspolitik müsse die FDP eine „glasklare Position“ einnehmen. Prompt ist er da, der große Beifall. Das zündet. Zwar spät, aber nun können die Vorstandswahlen kommen.

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