Interview mit Ex-Parteichef Lafontaine zum Linke-Kurs in der Flüchtlingspolitik

Der Ex-Parteichef der Linken unterstützt den auf dem Parteitag in Leipzig vereinbarten Kurs in der Flüchtlingspolitik. Den wiedergewählten Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger versetzt er aber einen Seitenhieb. Mit Lafontaine sprach Kristina Dunz.

 Oskar Lafontaine.

Oskar Lafontaine.

Foto: dpa

Herr Lafontaine, Katja Kipping und Bernd Riexinger haben bei ihrer Wiederwahl als Parteivorsitzende eine Schlappe eingefahren. Sahra Wagenknecht löste mit ihrer Rede eine heftige Debatte aus. Die Partei bleibt in der Flüchtlingspolitik gespalten. Können die Linken auch Versöhnung?

Oskar Lafontaine: Es ist selbstverständlich, dass politische Grundsatzfragen wie Flucht, Migration und politische Verfolgung heftig diskutiert werden. Das überrascht mich nicht. Diese Debatten werden auch in der Bevölkerung geführt. Da kann sich die Linke nicht ausklinken.

Noch einmal die Frage nach Versöhnung. Oder bleibt die Linke lieber gespalten?

Lafontaine: In allen Parteien erleben wir derzeit heftige Diskussionen. Ebenso hat Andrea Nahles einen Shitstorm auch von eigenen Parteimitgliedern für ihre Äußerung geerntet, dass Deutschland nicht alle Menschen aufnehmen kann. Dabei hat sie nur eine Selbstverständlichkeit geäußert.

Wofür haben Kipping und Riexinger die Quittung bekommen? Für den Dauerstreit mit den Fraktionsvorsitzenden oder für den inhaltlichen Kurs in der Flüchtlings- und der Sozialpolitik?

Lafontaine: Der wichtigste Grund ist wohl, dass die beiden Parteivorsitzenden die Fraktionsführung häufig attackiert haben. So wie sie im vorigen Herbst versucht haben, die Rechte der Fraktionsvorsitzenden zu beschneiden. Das hat den Delegierten wohl nicht gefallen. Die Fraktionsvorsitzenden haben sachlich argumentiert und nicht mit Verbalinjurien gearbeitet, mit denen sie selbst überzogen wurden wie mit Vorwürfen des Nationalismus, Rassismus und der AfD-Nähe.

Kipping hat Sie aufgefordert, Sie sollten jetzt den Beschluss des Leitantrags akzeptieren und diesen nicht mehr ständig öffentlich infrage stellen. Halten Sie jetzt den Mund?

Lafontaine: Den jetzigen Beschluss für offene Grenzen kann ich voll mittragen. Ich lebe seit Jahrzehnten an der französischen Grenze und bin froh, dass sie offen ist. Im Bundestagswahlprogramm, das ich kritisiert habe, stand etwas ganz anderes: offene Grenzen für alle, Bleiberecht für alle und 1050 Euro monatlich für alle. Von diesen unhaltbaren Forderungen sind Kipping, Riexinger und Gysi jetzt abgerückt, das ist ein Fortschritt.

Also ist von Ihrer Seite aus Ruhe?

Lafontaine: Die Bekämpfung von Fluchtursachen, eine soziale Offensive für alle und offene Grenzen unterstütze ich selbstverständlich.

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