Kommentar zur AfD Kurzsichtig und töricht

Meinung | Berlin · Die AfD-Kandidatin Mariana Harder-Kühnel ist erneut bei der Wahl zur Bundestags-Vizepräsidentin durchgefallen. So schwindet die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Partei, kommentiert GA-Redakteur Gregor Mayntz.

 Mariana Harder-Kühnel (M) von der AfD nimmt das Ergebnis nach dem 3. Wahlgang für das Amt der stellvertretenden Bundestagspräsidentin zur Kenntnis. Die Bundestagsabgeordnete erreichte nicht die nötigen Stimmen.

Mariana Harder-Kühnel (M) von der AfD nimmt das Ergebnis nach dem 3. Wahlgang für das Amt der stellvertretenden Bundestagspräsidentin zur Kenntnis. Die Bundestagsabgeordnete erreichte nicht die nötigen Stimmen.

Foto: dpa

Man kann die AfD schlecht finden, man kann sie bekämpfen, man muss es an manchen Stellen sogar. Aber was die große Mehrheit der Abgeordneten jetzt in den Wahlkabinen des Bundestages angestellt hat, ist mit kurzsichtig und töricht noch vorsichtig umschrieben. Ausgerechnet in der Auseinandersetzung mit Rechtspopulisten schalten sie den Kopf aus und hören nur noch auf ihr Bauchgefühl.

Natürlich bereitet es ihnen Bauchschmerzen, eine Vertreterin einer Partei in das repräsentativste Gremium zu wählen, die durch rüpelhafte Zwischenrufe und hetzerische Reden auffällt. Doch die AfD ist von sechs Millionen Deutschen in den Bundestag geschickt worden, weil sie meinten, dass in der Bandbreite der Meinungen in der aktuellen deutschen Demokratie die der AfD dazugehören soll. So lange eine Partei nicht als verfassungsfeindlich verboten ist, kommen ihr aus Respekt vor dem Wählerwillen die gleichen formalen Rechte und Pflichten zu wie allen anderen. Als die Linken ins Parlament einzogen, hat die Union auch nach anfänglichem Zögern ihre Beißreflexe unterdrückt und sie ins Präsidium gewählt.

Die Reihe von Fehlern begann bereits in der vergangenen Wahlperiode, als hektisch die Tradition beendet wurde, nach der jedes neu gewählte Parlament vom lebensältesten Mitglied eröffnet wird. Weil das einer von der AfD sein würde, setzte der Bundestag plötzlich auf das dienstälteste Mitglied. Bei der Verteilung der Ausschussvorsitze hielt sich der Bundestag an die Verteilung nach Größenverhältnissen. So landeten bei der AfD als größter Oppositionsfraktion auch drei Leitungsposten. Hätten diese drei AfD-Politiker ihre Ämter missbraucht, wäre ein Argument da gewesen, der AfD das Amt eines Vizepräsidenten vorzuenthalten. Aber die Klagen blieben aus. Also hätte man sich das Thema Präsidium mit wenigen Ja- und noch weniger Nein-Stimmen bei ganz vielen Enthaltungen endgültig vom Hals schaffen können. Dann wäre viel Zeit und Platz gewesen, die AfD bei ihren inhaltlichen Vorstellungen zu stellen, die Partei sich vielleicht selbst zerlegen zu lassen.

So aber verschwindet in den kommenden Wahlkämpfen die inhaltliche Auseinandersetzung hinter dem als unfair empfundenen Umgang mit dem Wählerwillen. Wer die AfD-Sympathisanten zum Nachdenken bringen und die Wähler von der AfD entfernen will, der erreicht durch die Verweigerung der AfD-Mitwirkung im Bundestagspräsidium das Gegenteil. Die Empörung der AfD ist in Teilen gespielt. Insgeheim wissen die Verantwortlichen, dass ihr die anderen Parteien einen Riesendienst erwiesen haben. Mal wieder.

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