Sozialer Sprengstoff Kritik an Vorschlag für Dienstjahr von Flüchtlingen

Berlin · Eine Rückkehr zur Wehrpflicht will die CDU nicht, ein verpflichtendes Dienstjahr kann sich Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer aber gut vorstellen - auch für Flüchtlinge. Nicht nur vom Koalitionspartner kommt Widerspruch.

 Annegret Kramp-Karrenbauer, Generalsekretärin der CDU, stößt auf Kritik.

Annegret Kramp-Karrenbauer, Generalsekretärin der CDU, stößt auf Kritik.

Foto: Michael Kappeler

In der Debatte um eine allgemeine Dienstpflicht stößt CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer mit ihrem Vorschlag, einen solchen Dienst auch Flüchtlingen und Asylbewerbern zu ermöglichen, auf Kritik.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil hielt seiner Kollegin Populismus vor. "Die Union hat Angst vor einer Debatte über stabile Renten und die Verlässlichkeit des Staates, weil sie hier völlig ideenlos ist", sagte Klingbeil am Wochenende den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Deshalb versucht Frau Kramp-Karrenbauer, sofort die nächste populistische Debatte über Flüchtlinge anzuzetteln." Auch von FDP, Linken und Verbänden kam Kritik.

Kramp-Karrenbauer hatte den Funke-Zeitungen und der französischen Zeitung "Ouest-France" gesagt: "Wenn Flüchtlinge ein solches Jahr absolvieren, freiwillig oder verpflichtend, dient das ihrer Integration in Staat und Gesellschaft." In der Bevölkerung würde zudem die Akzeptanz für in Deutschland lebende Flüchtlinge erhöht.

Die CDU hatte die Debatte über eine allgemeine Dienstpflicht für junge Männer und Frauen bei der Bundeswehr sowie im sozialen Bereich angestoßen. Kramp-Karrenbauer sprach zuletzt von einem "Impuls aus der Basis heraus für das geplante neue CDU-Grundsatzprogramm". Viele in der CDU seien dafür, dass dieser Dienst ein Jahr dauere und für Männer und Frauen gelte, sagte sie nun. "Und sie gehen auch davon aus, dass der Dienst nicht nur für deutsche Staatsangehörige gilt, sondern auch für Flüchtlinge und Asylbewerber, die volljährig sind und in Deutschland leben." Dies sei ein "überlegenswerter" Ansatz.

Dies bewerten die Opposition und viele Verbände anders. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, sagte: "Eine Dienstpflicht ist grundsätzlich falsch, egal ob für Deutsche, Flüchtlinge oder Asylbewerber." Die CDU wolle hier nur noch mehr Arbeitskraft enteignen, um die Kosten ihrer "unbezahlbaren Renten- und Sozialpolitik" zu dämpfen. Zudem führe das zu Lohndruck nach unten bei Berufsgruppen wie etwa Pflegehelfern, die schon jetzt eher niedrig bezahlt seien. In der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS) fügte Buschmann hinzu: "Das ist sozialer Sprengstoff und kein Beitrag zur Befriedung des gesellschaftlichen Konflikts um die Integration." Flüchtlinge sollten in den regulären Arbeitsmarkt integriert werden.

Linke-Fraktionsgeschäftsführer Jan Korte lehnt einen verpflichtenden Dienst ab, sowohl für alle als auch für einzelne Gruppen. "Das wäre sicherlich keine geeignete integrative Maßnahme - eine reguläre Beschäftigung hingegen schon." Er teilte weiter mit: "Man kann nicht auf der einen Seite vorgeben, an der Integration der Flüchtlinge interessiert zu sein, und auf der anderen Seite gut integrierte Flüchtlinge, die einen Job haben, abschieben wollen."

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisierte den Vorschlag der CDU-Politikerin als wenig hilfreich. "Pflege ist mehr, als einen Waschlappen in die Hand zu nehmen. Empathie und Professionalität sind gefragt", sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch der Deutschen Presse-Agentur. "Wer hier leichtfertig schwadroniert, der watscht die Millionen von Pflegekräften in Deutschland ab."

Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, nannte Kramp-Karrenbauers Vorschlag in der "FAS" "völlig absurd". Einerseits wolle die CDU integrierte Flüchtlinge vom Arbeitsmarkt fernhalten und abschieben, andererseits mache sie dann einen Vorschlag, "nach dem Asylbewerber ohne Sprachkenntnis in Pflegeheimen und Kitas arbeiten sollen".

Zurückhaltender äußerte sich in der Zeitung die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes, Gerda Hasselfeldt. "Unsere Empfehlung lautet, die vorhandenen Strukturen der Freiwilligendienste konsequent zu nutzen und auszubauen. Selbstverständlich müssen diese Dienste auch Flüchtlingen offenstehen."

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