Frühjahrsvollversammlung der Bischofskonferenz Können Christen die AfD wählen?

Bergisch Gladbach · Auf der Bischofskonferenz in Bensberg diskutieren Deutschlands katholische Bischöfe über drängende gesellschaftliche Fragen. Der Umgang mit Populismus steht mit im Vordergrund.

In der Ferne sieht man in die Kölner Bucht hinein. Hoch über den Dächern von Bensberg, umgeben von einem Park mit großer Streuobstwiese, liegt das Kardinal Schulte Haus, das Tagungszentrum des Erzbistums Köln. An diesem ruhigen Ort findet noch bis Donnerstag die Frühjahrsvollversammlung der katholischen Deutschen Bischofskonferenz (DBK) statt. Erholsam waren die Beratungen der 62 Bischöfe und Weihbischöfe bisher aber nicht.

Denn die katholischen Oberhirten beschäftigten sich mit drängenden gesellschaftlichen Fragen – etwa dem Rechtspopulismus. „Wer Populisten das Wasser abgraben will, sollte das Thema soziale Ungleichheit ernst nehmen“, sagte der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck. Denn soziale Ungleichheit könne Wohlstand, Demokratie und den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährden. Doch die DBK steckt in einem Dilemma.

Denn am konservativen Rand des Katholizismus gibt es auch Überschneidungen: Fromme Katholiken und Politiker der AfD treffen sich zu Demonstrationen für das Lebensrecht ungeborener Kinder, und auch die Islamfeindschaft der Rechtspopulisten wirkt auf manche Kirchenmitglieder anziehend. Overbeck plädierte für eine sachliche und kritische Auseinandersetzung mit den Rechtspopulisten, einen „Diskurs strittigster Art“. Ob Christen die AfD wählen können? Sie sollten sich bei ihrer Entscheidung daran orientieren, ob eine Partei die Menschenwürde achte oder dialogfähig sei, sagte er.

Was die Berichterstattung über Armut angehe, warnten Overbeck und der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, vor Übertreibungen. Die „jährliche Spirale der Skandalisierung“ helfe keinem Menschen aus der Armutsfalle, kritisierte Neher mit Blick auf den in der vorigen Woche veröffentlichten Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Vielmehr gelte es, die Ursachen von Armut zu bearbeiten.

Formulierungen wie „Armut war noch nie so hoch“ oder „Abstiegsrisiken gestiegen“ bergen laut Overbeck die Gefahr, das Vertrauen in den Sozialstaat weiter zu untergraben und Ängste zu schüren. Der Zusammenhalt der Gesellschaft schwinde, wenn der Eindruck entstehe, der Aufschwung komme nur bei den Reichen an.

Daneben war es vor allem der Nachwuchsmangel, der in Bensberg auf der Tagesordnung der Bischöfe stand. Man sei „voller Sorge angesichts der Zahl der Priesterweihen“, sagte etwa der Berliner Erzbischof Heiner Koch am Mittwoch. Mit nur 58 neuen Priestern und 573 Studenten in den Seminaren ist 2015 ein Tiefstand erreicht worden – nicht umsonst gewinnt die Diskussion um die Zulassung verheirateter Männer zum Priesteramt, die so genannten „Viri Probati“, immer mehr an Raum. Auch die Priester sind zunehmend unzufrieden mit ihrer Situation, mit Überlastung, Gemeindezusammenlegungen und pastoralen Räumen. „Ich als Priester möchte an etwas teilhaben, was Zukunft hat“, sagt der Bundespräses des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend, Dirk Bingener, über seine Motivation für dieses Amt. „Ich will nicht der Nachlassverwalter einer längst vergangenen Epoche sein.“ Und auch der Umgang der Kirche mit Homosexualität und die fehlende Weihemöglichkeit für Frauen schrecke viele junge Leute ab, sich in der Kirche zu engagieren.

Der Jugendbischof der DBK, der Passauer Oberhirte Stefan Oster, sprach schon von einem „metaphysischen Graben“: „Die Generation der heutigen Jugendlichen kommt nicht automatisch mehr mit Kirche in Berührung.“ Der Vatikan hat deswegen beschlossen, das Thema Jugendarbeit zum Thema der nächsten Bischofssynode zu machen. Einen Online-Fragebogen für Jugendliche soll es dazu ebenso geben wie eine Synoden-App. Doch an der konkreten Frage, wie mehr Jugendliche für den Glauben, die Kirche und im letzten Schritt auch für eine berufliche Tätigkeit in der Kirche gewonnen werden können, müssen Deutschlands Bischöfe wohl noch kräftig arbeiten müssen. „Wir haben uns wohl zu sehr auf eine institutionalisierte Form des Gläubigwerdens verlassen“, sagt Oster. „Dass man nach der Kindertagesstätte, dem Religionsunterricht, der Ministrantenzeit und der Jugendarbeit mit 18 das fertig ausgebildete gläubige Produkt hatte – das funktioniert schon lange nicht mehr.“

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