Interview mit Präsident der Krankenhausgesellschaft Kliniken klagen weiterhin über zu wenig Schutzausrüstung

Berlin · Es ist weiterhin das größte Problem in den Kliniken, dass immer noch zu wenig Schutzkleidung zur Verfügung steht. Der Präsident der Krankenhausgesellschaft Gerald Gaß spricht im Interview über Schutzkleidung, Intensivbetten und Mitarbeiter.

 Optimal ausgerüstet: Ein Mann in Schutzkleidung steht zur Aufnahme eines schwer kranken Covid-19-Patienten in Leipzig bereit. Doch solcher Art Schutzausrüstung gibt es laut Krankenhausgesellschaft noch viel zu wenig.

Optimal ausgerüstet: Ein Mann in Schutzkleidung steht zur Aufnahme eines schwer kranken Covid-19-Patienten in Leipzig bereit. Doch solcher Art Schutzausrüstung gibt es laut Krankenhausgesellschaft noch viel zu wenig.

Foto: dpa/Hendrik Schmidt

Können Sie die aktuelle Lage in den Kliniken kurz zusammenfassen?

Gerald Gaß: Angespannt, überwiegend gut vorbereitet, aber auch besorgt im Hinblick auf das Thema Schutzkleidung.

Wie groß ist das Problem fehlender Schutzkleidung – ist die Mehrheit der Kliniken betroffen?

Gaß: Im Prinzip sind alle Kliniken betroffen. Keine Klinik wird mehr auch nur annähernd mit den erforderlichen Mengen und zu den gewohnten Preisen beliefert. Wir bekommen flächendeckend aus den Krankenhäusern die Meldungen, dass ihre eigenen Beschaffungswege für Schutzkleidung nicht mehr funktionieren. Uns erreichen auch fast jeden Tag Notrufe, dass Kliniken erklären, wenn sie nicht in den nächsten Tagen eine Lieferung erhalten, ihre Versorgung einstellen müssen.

Und?

Gaß: Bislang kann noch kurzfristig geholfen werden. Es gibt begrenzte zentrale Lagerbestände bei den Ländern. Mittlerweile gibt es auch Lagerbestände beim Bund. Aber wenn das Gesundheitsministerium erklärt, es habe 20 Millionen Masken ausgeliefert, dann muss man wissen, dass die Kliniken pro Monat rund 45 Millionen Mund-Nase-Schutzmasken und etwa 17 Millionen FFP-2-Masken (also mit einer höheren Schutzstufe) verbrauchen.

Sollte die deutsche Industrie ihre Produktion umstellen, und selbst mehr Schutzkleidung herstellen?

Gaß: Die Unternehmen, die aufgrund ihrer Technologie in der Lage sind, Schutzkleidung herzustellen, sollten dies auf jeden Fall umsetzen. Wer Schutzkittel oder Mund-Nase-Schutzmasken herstellen kann, den bitte ich dringend, das in seiner Macht stehende zu tun, sich an der Versorgung der Kliniken und der niedergelassenen Ärzte zu beteiligen. Wir müssen uns eines vor Augen halten: Wenn wir unsere Mitarbeiter nicht mehr schützen können, dann verlieren wir diejenigen, die wir für die Versorgung der Patienten unbedingt brauchen. Wir verlieren dann auch das Vertrauen unserer Mitarbeiter. Dann sind auch freie Kapazitäten bei den Beatmungsgeräten und Intensivstationen wertlos.

Wie viele geplante Operationen werden zurzeit eigentlich pro Woche verschoben?

Gaß: Die exakte Zahl kann ich nicht beziffern. Es ist ein nennenswerter Teil an planbaren Behandlungen bereits zurückgefahren worden. Wir haben inzwischen in den Kliniken höhere Leerstände. Die Normalauslastung der Krankenhäuser liegt bei 75 bis 80 Prozent. Zurzeit haben wir noch etwa 50 Prozent der Betten belegt.

Wie geht es den Krankenhäusern damit wirtschaftlich? Wird der Rettungsschirm der Bundesregierung die Kliniken über Wasser halten?

Gaß: Es ist bekannt, dass wir der Politik ein anderes System des Rettungsschirms vorgeschlagen hatten, das uns mindestens die Erlöse des Vorjahres gesichert hätte. Die jetzigen Regelungen werfen viele praktische Fragen auf. Minister Spahn hat uns zugesagt, dass er bereit ist nachzujustieren. Wir werden auf die einzelnen Kliniken mit ihren unterschiedlichen Voraussetzungen schauen müssen, ob dieser Rettungsschirm ausreicht.

Wissen Sie, über wie viele freie Intensivbetten mit Beatmungsgerät Deutschland verfügt?

Gaß: Aktuell sind etwa 2000 Betten mit Covid19-Patienten belegt. Ich gehe davon aus, dass wir durch die Aufstockung der vergangenen Wochen inzwischen knapp 40 000 Intensivbetten zur Verfügung haben, von denen etwa 15 000 bis 20 000 frei sind. Zu Beginn der Pandemie hatten wir etwa 20 000 Betten mit Beatmungsgerät. Inzwischen dürften wir bei etwa 30 000 liegen. Zum Teil wurden die Beatmungsgeräte aus anderen Bereichen geholt – beispielsweise aus Aufwachräumen, zum Teil wurde neu beschafft, zum Teil wurden ausgemusterte Geräte reaktiviert. Ich bin zuversichtlich, dass wir in den kommenden zwei Wochen für alle Covid19-Patienten, die beatmet werden müssen, ein Gerät zur Verfügung haben werden.

Gibt es für die hohe Zahl an Intensivbetten auch genug ausgebildetes Pflegepersonal?

Gaß: Wir werden die vorhandenen Betten mit dem zur Verfügung stehenden Personal betreiben können. Es darf aber niemand die Erwartung haben, dass die Personaldecke so gut ist, wie wir sie uns in normalen Zeiten für die Intensivpflege wünschen, wonach sich ein Mitarbeiter um maximal zwei Patienten kümmert. Da werden wir Abstriche machen müssen. Zurzeit sind wir dabei, Pflegepersonal aus anderen Bereichen mit Kompaktkursen zu qualifizieren, damit sie die erfahrenen und hochqualifizierten Teams auf den Intensivstationen verstärken können. Die Mitarbeiter sind hochmotiviert und werden vielfach auch an ihre Grenzen gehen. Ich bin sehr dankbar für dieses Engagement.

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