Verfassungsschutzbericht Klima der Angst

BERLIN · Nun brennt es auch im Wahlkreis von Thomas de Maizière. Klare Worte, harte Kante - und trotzdem kann der Bundesinnenminister den Anschlag im sächsischen Meißen zunächst nur registrieren.

Dort hatten bislang Unbekannte eine vor der Eröffnung stehende Flüchtlingsunterkunft in Brand gesetzt, nur eine Nacht nachdem sich in der Stadt an der Elbe zwei Dutzend Neonazis zusammengerottet hatten. Noch am Abend des Anschlags hatte auch eine "Initiative Heimatschutz" in Meißen demonstriert.

De Maizière listet die Namen jener Orte auf, in denen in den zurückliegenden Monaten geplante Flüchtlingsunterkünfte gebrannt haben: Tröglitz in Sachsen-Anhalt, Vorra in Mittelfranken, nun Lübeck in Schleswig-Holstein und auch Meißen in Sachsen. In seinem Wahlkreis. Und dann noch Proteste im sächsischen Freital gegen ein Flüchtlingsheim. "Hass und Gewalt gegenüber Flüchtlingen und Asylbewerbern in Deutschland sind beschämend", so de Maizière.

Der Bundesinnenminister verwies in dem gestern in Berlin vorgelegten Verfassungsschutzbericht 2014 darauf, dass die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten im vergangenen Jahr um fast 24 Prozent auf 990 gestiegen ist. Besonders besorgniserregend: die Zunahme fremdenfeindlicher Gewalt und die steigende Zahl rechtsmotivierter Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte. De Maizière: "Wir müssen hier gemeinsam klare Kante zeigen. Jeder dieser Angriffe ist ein Angriff auf unseren Rechtsstaat, auf jeden Bürger dieses Landes." Jeder Flüchtling, der nach Deutschland komme, habe einen "Anspruch auf ein sicheres Leben".

Nach nun vom Bundesamt für Verfassungsschutz vorgelegten Zahlen haben sich die Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte von 55 in 2013 binnen Jahresfrist auf 170 in 2014 mehr als verdreifacht. Und: Bereits in der ersten Hälfte dieses Jahres gab es den Angaben zufolge 150 Straftaten gegen Asylbewerberheime. Das Personenpotenzial in der rechtsextremistischen Szene sei 2013 von 21.700 auf 21.000 in 2014 zwar leicht rückläufig gewesen. Allerdings sei die Bereitschaft zu Gewalt und Militanz in der Szene unverändert. Jeder zweite Rechtsextremist werde als gewaltorientiert eingestuft.

Die Zahl der linksextremistischen Gewalttaten stagniert. Allerdings bleibe sie mit 995 auf dem hohen Vorjahresniveau. Das Potenzial in der linksextremistischen Szene lag nach Verfassungsschutzangaben Ende 2014 bei 27.200 Personen nach 27 700 in 2013. De Maizière hob dabei vor allem die Bereitschaft hervor, Polizeibeamte zu verletzen. Insgesamt habe es in der Szene im vergangenen Jahr sieben versuchte Tötungsdelikte gegeben, sechs davon gegen Polizisten, darunter auch der Wurf eines Porzellanwaschbeckens von einem Hausdach auf einen Beamten. Leipzig in Sachsen gilt als neuer Schwerpunkt der linksextremistischen Szene. Eine erst im Februar 2014 eröffnete Polizeidienststelle in Leipzig-Connewitz sei inzwischen 16 Mal angegriffen worden.

Große Sorge bereitet den Sicherheitsbehörden auch die Gefahr durch islamistischen Terror. Etwas über 300 Gefährder kennen die Ermittler, "die höchste Zahl, die wir je hatten", so de Maizière. Hinzu kämen nochmals 300 "relevante Personen". Die Terrorgefahr in Deutschland sei unverändert hoch. "Es kann auch einen Anschlag in Deutschland geben."

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