Haftanstalten in NRW Kein Platz im Knast

Düsseldorf · Sechs der 39 Gefängnisse in Nordrhein-Westfalen sind überbelegt. Der NRW-Vorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbediensteten, Peter Brock, warnt vor einem Kollaps.

 Schon besetzt: 17629 sogenannte Haftplätze sind nach Angaben des Justizministeriums in NRW belegbar.

Schon besetzt: 17629 sogenannte Haftplätze sind nach Angaben des Justizministeriums in NRW belegbar.

Foto: dpa

In den NRW-Haftanstalten ist fast keine Zelle mehr frei. Nach einer internen Liste des Landesjustizministeriums waren im Februar sogar sechs der 39 Gefängnisse überbelegt – die Belegungsquote aller Haftanstalten im Erwachsenenvollzug betrug 96 Prozent. Der NRW-Vorsitzende des Bundes der Strafvollzugsbediensteten, Peter Brock, warnte vor einem Kollaps. „Die Überbelegung vor allem in der Untersuchungshaft ist ein Riesenproblem“, sagte Brock dieser Zeitung. Das Justizministerium verteidigte sich: „Wer einen Haftplatz braucht, der bekommt auch einen.“

Laut Liste war die JVA Dortmund am Stichtag 11.Februar mit 429 Häftlingen auf 404 Plätzen überbelegt. Auch die Haftanstalten Duisburg-Hamborn, Essen, Kleve, Kleve und Willich II hatten mehr Gefangene als reguläre Haftplätze. Weitere 20 Gefängnisse in NRW – darunter Aachen 92 Prozent, Bochum 93 Prozent, Düsseldorf 97 Prozent, Köln 99 Prozent, Geldern 98 Prozent, Hagen 96 Prozent, Moers 97 Prozent und Geldern 98 Prozent - stehen vor der Kapazitätsgrenze.

Nach Angaben des Justizministeriums sind aufgrund von Sanierungsarbeiten nur 17 629 Haftplätze belegbar. Bei aktuell 16 242 Gefangenen – einschließlich offener Vollzug und Jugendstrafvollzug – reichten die Plätze aus. Strafvollzugsexperte Brock stellte aber klar, dass für 11 286 erwachsene Gefangene gerade 11 750 Haftplätze bereit stehen. 2600 Strafgefangene lebten in Gemeinschaftszellen, obwohl sie einen Rechtsanspruch auf eine Einzelunterbringung hätten.

Brock verwies darauf, dass Gefangene häufig aus Gründen der Herkunft oder Religion nicht in einer Gemeinschaftszelle untergebracht werden könnten. „Auch Bandidos und Hells Angels zusammen geht nicht“, mahnte Brock. Zudem beobachtet der Strafvollzugsbedienstete eine deutliche Zunahme nordafrikanischer Gefangener in den Haftanstalten. Die jungen Straftäter seien oft schnell aggressiv und würden handgreiflich. Allein im vergangenen Monat meldeten die NRW-Haftanstalten einen Anstieg um 500 Gefangene. Laut Ministerium kommt es regelmäßig im Januar zu einer hohen Auslastung der Gefängnisse, weil die Staatsanwaltschaften zu Beginn des Jahres besonders viele Menschen zum Strafantritt laden. Hohe Belegungen einzelner Haftanstalten würden unter den JVA ausgeglichen. Auch der hohe Sanierungsbedarf der Gefängnisse sorgt aus Sicht des Ministeriums für eine hohe Auslastung.

Nachdem die Zahl der Gefangenen seit 2007 von 17 700 auf 16 200 gesunken ist, hat NRW die Gefängnisse in Coesfeld, Mönchengladbach und Krefeld geschlossen. Auch wurde die JVA Büren in eine Abschiebehaftanstalt umgewandelt. Bis Mitte 2016 wird die JVA Wuppertal saniert. Aus Sicht des Bundes der Strafvollzugsbediensteten sollte eine Belegungsquote von 90 Prozent nicht überschritten werden.

Die CDU-Opposition warnte Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) davor, weitere Haftplätze abzubauen. Die FDP forderte eine konsequente Ermittlung des tatsächlichen Bedarfs an Haftplätzen. Das Justizministerium räumte ein, dass in Belegungsspitzen einzelner Haftanstalten „vorübergehend“ auch ein Gemeinschaftshaftraum reichen müsse. Dass Gerichte nach den jüngsten Ereignissen in der Kölner Silvesternacht mehr Freiheitsstrafen verhängen, lässt sich nach Angaben des Justizministeriums „statistisch nicht nachhalten“.

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