Sicherheitskonferenz in München Joe Biden: "Sie können sich auf die USA verlassen"

München · Ex-Vizepräsident Joe Biden versucht, Europa zu beruhigen. Russland wirft der EU „sinnlose Rivalität“ vor. China will beim INF-Vertrag nicht mitmachen.

Macht den Europäern Mut: der ehemalige US-Vizepräsident Joe Biden.

Macht den Europäern Mut: der ehemalige US-Vizepräsident Joe Biden.

Foto: dpa

Es spricht: das andere Amerika. „Das gibt es auch noch“, sagt Joe Biden. Der Programmpunkt ist bewusst gesetzt. Es geht um eine Art Vertrauenserklärung für Europa. Die Amerikaner sind mit einer Delegation so groß wie nie zu dieser Sicherheitskonferenz gekommen. Darunter viele US-Demokraten. Biden hat in diesem Fall eine besondere Rolle – neben Nancy Pelosi, der derzeit mächtigsten Gegenspielerin von US-Präsident Donald Trump. Biden war Vize von Barack Obama. Und jetzt – in Zeiten der europäisch-amerikanischen Entfremdung – braucht es eine Vergewisserung, die der aktuelle US-Vize Mike Pence bei seinem Auftritt in München schmerzlich vermissen ließ.

In den rund 60 Minuten auf der Münchner Bühne reicht Biden ein Beruhigungsmittel: „Sie können sich auf die USA verlassen, sie können auf uns zählen. Das liegt in unserem eigenen Interesse.“ Solche Sätze hätten sich viele im Saal von Pence gewünscht. Aber: Fehlanzeige beim US-Vize. Doch Biden macht den Europäern Mut. Die Trump-Zeit dauere nicht ewig: „Ich verspreche Ihnen, auch das geht vorbei. Wir kommen zurück.“

Was Biden sagt, fühlt sich an wie Rhetorik aus einer vergangenen Zeit. „Das Amerika, das ich sehe, schaut nicht am Klimawandel vorbei“, versichert der US-Demokrat. „Das Amerika, das ich sehe, schätzt den grundsätzlichen menschlichen Anstand, wo man den Eltern nicht die Kinder wegnimmt oder Flüchtlingen an unseren Grenzen nicht den Rücken zudreht.“

Die Vereinigten Staaten wollten „nicht die Weltpolizei“ sein, aber die USA wollten ihre Rolle auf dem Globus spielen. Nicht Amerika zuerst. Sondern Einsatz gegen die Ungleichheit auf der Welt, im Kampf gegen humanitäre Krisen, Hilfe für Flüchtlinge und eben auch gegen den Klimawandel, der nicht geleugnet werden könne. „Vielleicht sollte ich jetzt besser aufhören“, appelliert Biden an sich selbst, weiß er doch, dass er gerade die Regierung von Präsident Nummer 45 frontal angeht.

Multilateralismus ist für Biden eine Haltung

Biden versichert: „Die Vereinigten Staaten werden niemals ihre Bündnispartner aufgeben. Wir brauchen sie. Ich hoffe, Sie brauchen auch uns.“ Aufatmen im Saal. Endlich sagt es einer. Multilateralismus ist für Biden eine Haltung. „Wir können uns nicht aufspalten lassen, nicht zwischen Staaten und nicht innerhalb der Staaten.“ Falls doch, komme eines Tages eine autoritäre Macht und fülle dieses Vakuum. So wie „ein Tyrann“ gekommen sei, der sich illegal das Territorium eines anderen Landes genommen und 30 Jahre alte Rüstungskontrollverträge verletze: Russland.

Dessen Außenminister Sergej Lawrow, seit 15 Jahren Chefdiplomat in Diensten des Kreml, wiederum hält den Europäern vor, diese hätten sich „in eine sinnlose Rivalität mit Russland hineinziehen lassen“. Die EU bekommt es an diesem Tag dicke: vom Westen aus Washington, vom Osten aus Moskau. „Praktisch gesehen verfügt die EU über keine Monopolstellung mehr bei der Gestaltung der gesamtregionalen Integration.“

Lawrow spricht von „universeller Zusammenarbeit“ im Rahmen der UN

Mit der „zügellosen Erweiterung der Nato“ in Osteuropa und der Unterstützung der Regierung der Ukraine habe die EU eine Partnerschaft mit Russland verspielt. Doch die Realität im 21. Jahrhundert legt nahe: „Es gibt keine Eisernen Vorhänge.“ Vielmehr brauche das europäische Haus eine „Generalsanierung“. Lawrow wirbt für ein System des Multilateralismus. Er spricht von „universeller Zusammenarbeit“ im Rahmen der UN. Diese dürften nicht durch einen „Club der Auserwählten“ ersetzt werden, der internationale Politik unter sich ausmache. „Das wird nicht gut gehen.“

Und weil die Weltenlenker zu den großen Themen schon zusammensitzen, mischt auch noch Chinas oberster Außenpolitiker, das Politbüromitglied Yang Jiechi, in der multilateralen Frage mit. Zum Beispiel beim INF-Vertrag über das Verbot landgestützter atomarer Mittelstreckenraketen. Um das Rüstungskontrollabkommen doch noch zu retten, kursiert die Idee, Staaten wie China oder Pakistan einzubeziehen und den Vertrag so zu erweitern. Yang Jiechi ist nach eigenen Worten für Multilateralismus. Nur nicht beim INF-Vertrag, da will China mit seinem eigenen Mittelstreckenraketen-Programm nicht mitmachen. „Wir sind gegen die Multilateralisierung des INF-Vertrages“, sagt Yang Jiechi. Begründung: Die Rüstungsstrategie seines Landes habe schließlich nur „defensiven Charakter“.

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