Asylpolitik Jeder gegen jeden - aber der Reihe nach

Berlin · Es gibt viele inhaltliche Unklarheiten in der politischen Diskussion über Transitzonen und Einreisezentren. Ein Überblick über die wichtigsten Fragen.

 Transitzonen finden sich nach den Vorstellungen der CSU an den Landesgrenzen - das Bild entstand am Übergang von Slovenien nach Österreich.

Transitzonen finden sich nach den Vorstellungen der CSU an den Landesgrenzen - das Bild entstand am Übergang von Slovenien nach Österreich.

Foto: dpa

Es sollte doch ein Durchbruch werden. Die Koalition wollte sich zu einer einheitlichen Asylpolitik durchringen. Das Gegenteil ist der Fall. Nur streitet jetzt ein einigermaßen geschlossenes Unionslager gegen die SPD. Transitzonen (CDU/CSU) oder Einreisezentren - das ist die neue Konfliktlinie. Dabei gibt es inhaltlich viele Unklarheiten.

Was ist die Grundidee der Transitzonen?

Grenznah platzierte Zentren für Flüchtlinge sollen die Möglichkeit bieten, das Verfahren von Antragstellern, die voraussichtlich keinen Anspruch auf Asyl haben, beschleunigt abzuwickeln - noch bevor sie rechtlich nach Deutschland eingereist sind. Abgelehnte Asylbewerber sollen dann direkt aus den Transitzonen wieder in ihre Heimat zurückgeschickt werden.

Gibt es dafür Vorbilder?

Ja. tatsächlich gibt es schon ein solches Verfahren. An den Flughäfen München, Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg und Berlin-Schönefeld gibt es bereits Transitzentren. Dort werden Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern vor ihrer Einreise nach Deutschland festgehalten. In einem Schnellverfahren entscheidet das Bundsamt für Migration und Flüchtlinge, ob der Antrag begründet ist.

Ist so etwas rechtlich auch an den Landesgrenzen möglich?

Das ist umstritten. Das Flughafenverfahren ergibt sich aus Paragraf 18a des Asylgesetzes. Wo aber Transitzonen sonst noch überall zulässig sind, ergibt sich nur vage aus der EU-Richtlinie 2013/32/EU. Dort heißt es: "Viele Anträge auf internationalen Schutz werden an der Grenze oder in Transitzonen eines Mitgliedstaates gestellt, bevor eine Entscheidung über die Einreise des Antragstellers vorliegt." Die EU-Kommission hat der Bundesregierung signalisiert, dass Transitzonen zwar möglich seien, aber zeitlich befristet sein müssten. Der Grund: Transitzonen ohne Grenzkontrollen nützen nichts, weil sie sonst leicht umgangen werden können. Die sind aber im Schengenraum nur zeitlich befristet möglich.

Was ist am Vorwurf der SPD dran, dass hier "Massengefängnisse" entstehen, wie es Justizminister Heiko Maas gestern formuliert hat? SPD-Chef Gabriel spricht etwas gemäßigter von Haftzonen.

Klar ist, dass die Transitzonen nur funktionieren, wenn die Antragsteller während der Dauer ihres beschleunigten Verfahrens auch greifbar bleiben. Sonst wäre der Zweck verfehlt, die rasche Rückführung durchzusetzen. Das stellt also an die Bundespolizei eine umfangreiche Aufgabe. Die Union sagt, von "Haft" könne aber keine Rede sein. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann: "Die Tatsache, dass man jemanden nicht weiter einreisen lässt, ist keine freiheitsentziehende Maßnahme."

Die SPD argumentiert, dass hier Zentren entstehen, die aufgrund des anhaltenden Zustroms von Flüchtlingen zu gigantischen Lagern anwachsen würden. Das träfe unter der Voraussetzung zu, dass zunächst alle ankommenden Flüchtlinge an der Grenze festgehalten würden, um im Rahmen einer Kontrolle diejenigen festzustellen, die chancenlos im Hinblick auf Asyl sind. So genau hat sich die Union da aber nie geäußert.

Gibt es ein anderes Modell?

Denkbar wäre auch, dass für den Großteil der Flüchtlinge das bisherige Verteilungssystem weiter gelten würde und nur die Personen, die ohne Papiere kommen oder offensichtlich aus sicheren Herkunftsstaaten stammen, festgehalten würden. Gelegentlich konnte der Eindruck entstehen, dass die CSU auf die abschreckende Wirkung großer Camps setzt, während die Innenpolitiker der CDU lediglich zielgenauer und früher die aussichtslosen Bewerber herausfiltern wollen.

In welchem Verhältnis stehen Aufwand und Nutzen?

Beschleunigte Verfahren sind nur für Menschen aus sicheren Herkunftsländern möglich. Dazu zählen die Balkan-Staaten. Tatsächlich stammten im September 27,2 Prozent aller in Deutschland gestellten Asylanträge aus den sechs Westbalkan-Staaten Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien. Bei einem knappen Drittel mag der Aufwand in einem angemessenen Verhältnis zum Effekt stehen. Das Problem: Die Zahlen des Zuzugs aus dem Balkan nehmen rasant ab.

Im Monat Oktober machte der Anteil der Westbalkan-Länder nach vorläufigen und noch nicht bestätigten Zahlen unter den Top-50-Asyl-Ländern nur noch 2,44 Prozent aus. Ob dann der Aufbau von Transitzonen sinnvoll ist, erscheint eher zweifelhaft. Für alle anderen Bewerber gelten ja die normalen Verfahren mit entsprechender Dauer. Die ist wenigstens so lang, dass ein Verbleib in den Transitzonen - die ja in grenznahen, also eher strukturschwachen Gegenden liegen sollen - für die Antragsteller nicht zumutbar erscheint. Jedenfalls wird das auch von der Union nicht gefordert.

Welchen Sinn haben die Einreisezentren, die von der SPD vorgeschlagen werden?

Die Einreisezentren sind eher ein Versuch, die bislang unkontrollierte Einreise zu ordnen. Zu viele Flüchtlinge schlüpfen bislang durch die Maschen des Registrierungssystems. Die SPD will die Leistungen für Flüchtlinge an das Registrierungsverfahren knüpfen. Wer das umgehe, erleide auch Nachteile beim Asylverfahren.

Wie das rechtlich aussehen soll, ist aber noch ungeklärt. Bei offensichtlich erfolglosen Anträgen, etwa aus Balkanstaaten, könne die Entscheidung über den Antrag auch direkt im Zentrum erfolgen "und die Wiederausreise von dort aus stattfinden", sagt SPD-Chef Gabriel. Was nur Sinn macht, wenn die Antragsteller sich so lange auch bindend in den Zentren aufhalten müssen. Warum er dann in diesem Fall nicht von Haftzonen spricht, erscheint nicht völlig konsequent.

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