Kommentar zu Angela Merkel und der großen Koalition Jahre einer Kanzlerin

Meinung · Nichts hat Angela Merkels Kanzlerjahre derart erschüttert und überschattet wie der seit drei Jahren währende Flüchtlings-Streit mit der CSU. Doch die Handlungshoheit hat die Kanzlerin fürs Erste zurück.

 Die Zeiten seien fordernd, sagte Kanzlerin Angela Merkel bei der traditionellen Pressekonferenz vor ihrem Urlaub. FOTO: DPA

Die Zeiten seien fordernd, sagte Kanzlerin Angela Merkel bei der traditionellen Pressekonferenz vor ihrem Urlaub. FOTO: DPA

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Die nächste Krise kommt bestimmt. So lange in Bayern nicht gewählt ist, wird diese große Koalition nicht zur Ruhe kommen. Und auch danach sind die Friedensaussichten – je nach Ausgang der Bayern-Wahl – nicht gewiss.

Angela Merkel hat sich jetzt in den Urlaub verabschiedet, sofern das bei einer Bundeskanzlerin und erst recht in diesen Zeiten überhaupt möglich ist. Diese vierte Amtszeit von Merkel als Bundeskanzlerin wird ihre schwierigste, aller Voraussicht nach auch ihre letzte, wobei sie dazu selbst noch nichts gesagt hat. Womöglich wird dies für Merkel ein Sommer ohne Pause.

Merkels unfassbares Stehvermögen

Der kalte Konflikt zwischen der Regierungschefin und ihrem Innenminister ist nicht ausgeräumt, sondern nur an der Oberfläche befriedet. Das abgrundtiefe Zerwürfnis zwischen Merkel und Bundesinnenminister Horst Seehofer, vom CSU-Chef befeuert und provoziert, hat fast zum Ende der Bundesregierung noch in der Aufwärmphase geführt – mit unkalkulierbaren Folgen für Deutschland und Europa.

Die CDU-Chefin hat in diesen vergangenen zehn Monaten seit der Bundestagswahl unfassbares Stehvermögen bewiesen. Jamaika-Koalition geplatzt, nächste GroKo mühsam geschafft, Bruch der Regierung abgewendet.

Nach all dem Streit über den Kurs in der Asyl- und Flüchtlingspolitik, den viele Menschen im Lande schon länger nur noch kopfschüttelnd verfolgen, müssen Merkel, Seehofer und SPD-Chefin Andrea Nahles nach dieser Sommerauszeit Themen anpacken, die die Bürger viel mehr umtreiben wie die Zurückweisung von statistisch fünf Flüchtlingen täglich an der deutsch-österreichischen Grenze: Rente, Pflege, bezahlbares Wohnen, Digitalisierung, Fachkräfte-Zuwanderung, Diesel-Fahrverbote. Alles unerledigte Baustellen.

Den Putsch noch abgewehrt

Außenpolitisch wird das bedenklich abgekühlte Verhältnis zu den USA – wobei die Kaltfront aus Richtung Washington D.C. herüberzieht – Europa und Deutschland weiter beschäftigen. Die lange vertraute und irgendwie stabile Weltordnung ist nicht mehr.

Merkel hat versprochen, für die volle Legislaturperiode zu regieren. Nichts hat ihre Kanzlerjahre derart erschüttert und überschattet wie der seit drei Jahren währende Flüchtlings-Streit mit der CSU. Doch Merkel steht – auch zu dem Preis, dass sie beinahe alle ihrer Positionen in der Flüchtlingspolitik für den Unionsfrieden geräumt hat.

Wer weiß, welches große Thema in dieser Legislaturperiode noch aufkommt, das derzeit noch niemand auf dem Radar erkennen kann und diese Regierung aufs Neue testen wird.

Im Herbst ihrer Kanzlerschaft muss Merkel die Phase des Übergangs einleiten, in der sie dann auch ihre Partei einbinden muss. Der Herbst kann eine sehr schöne Jahreszeit sein – mit wundervollen leuchtenden Farben.

Merkel hat die Handlungshoheit fürs Erste zurück. Schwer erkämpft, aber den Putsch doch abgewehrt.

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