Feierlichkeiten zum Abschluss Ist der Ramadan noch zeitgemäß?

Düsseldorf · Am Dienstag beginnen die Feierlichkeiten zum Abschluss des Ramadan. Auch in Deutschland haben Muslime gefastet. Die Vorgaben sind streng, Fastende dürfen den ganzen Tag weder essen noch trinken. Der Verzicht ist aber nicht das Wichtigste.

Schüler, die zu hungrig sind, um sich auf den Unterricht zu konzentrieren. Erwachsene, die Kreislaufprobleme bekommen und an deren Leistungsfähigkeit nicht nur in verantwortungsvollen Berufen gezweifelt wird, wenn sie den ganzen Tag nichts essen und trinken. Darf etwa ein Neurochirurg auf Nahrung und Flüssigkeit verzichten, wenn er am Abend eine komplizierte Operation leiten muss? Wenn weltweit Millionen Muslime ihren Fastenmonat Ramadan begehen, flammen stets dieselben Diskussionen auf. Wenn das gemeinsame Mittagessen mit den Kollegen ebenso zum Alltag gehört wie Einladungen zum Dinner und der Kaffee am Morgen, stellt sich eine provokante Frage: Passt der Ramadan mit seinen strengen Vorgaben überhaupt in das 21. Jahrhundert?

Das tut er – wenn man ihn seinem eigenen Kontext und Fähigkeiten entsprechend lebt.

Im Ramadan geht es nicht darum, von morgens bis abends zu hungern und danach so viel zu essen, wie man nur kann. Und trotzdem drehen sich innerhalb und außerhalb muslimischer Gemeinschaften die Debatten zum Fastenmonat stets um den Verzicht auf Essen und Trinken und die damit einhergehenden möglichen Auswirkungen. Doch der Sinn des Fastenmonats ist es nicht, sich im Hungern zu beweisen. Die eigenen körperlichen Grenzen auszuloten, kann bereichernd sein, doch im Fokus steht weniger der Leib und mehr die Seele. Das Fasten an sich ist nur der Weg zum Ziel. Das Ziel ist die Askese. Als eine „Auszeit, um die innere Batterie wieder aufzuladen und sich seiner selbst und seines Glaubens zu vergewissern“, beschreibt es der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Münster, Mouhanad Khorchide. Zwar ist der Monat von Verzicht gekennzeichnet, doch dieser ist kein Selbstzweck, sondern Methode: Mit dem Verzicht auf Essen, Trinken, Alkohol und Sex entsagt der Einzelne jeder Form von Ablenkung, sodass er sich und seine Abhängigkeiten jedes Jahr aufs Neue überprüfen kann.

Wer will und kann, wird sich in diesem einen Monat frei machen von den Bedürfnissen, denen nachzugeben man sich schon lange angewöhnt hat. Und dieses Wollen und Können sind die Kriterien, anhand derer sich entscheidet, wie aufgeklärt, tolerant und letztlich auch zeitgemäß der gelebte Islam und die Muslime sind.

Fasten soll nur, wer will

Eigentlich eine Selbstverständlichkeit: Fasten soll nur, wer will. Jede Form von Druck oder Diskriminierung muss im Keim erstickt werden. Gerade in Freundeskreisen junger Muslime, wo mitunter ein pubertärer Eifer entstehen kann, besteht das Risiko von Gruppenzwang. Dagegen hilft nur unnachgiebige Aufklärung. Neben der Familie kommt auch Lehrern hier eine entscheidende Rolle zu, spielt sich doch ein Großteil möglicher Konflikte wie so oft an Schulen ab. Islamische Religionslehrer können Aufklärungsarbeit leisten, ohne dass es bei den Schülern so wirkt, als wolle man ihnen etwas verbieten. Und auch religiöse Vorbilder wie Imame müssen klar kommunizieren, dass an niemandes muslimischer Identität gezweifelt werden darf, wenn er – aus welchen Gründen auch immer – nicht fastet.

Die Frage des Könnens ist eine, die vor allem eins benötigt: Eigenverantwortung. Es liegt im Ermessen jedes Einzelnen, einzuschätzen, ob und in welchem Ausmaß das Fasten seine Gesundheit und Leistungsfähigkeit beeinträchtigt. Genauso wie die Gesellschaft die individuelle Entscheidung für das Fasten respektieren muss, muss auch der Einzelne seine Grenzen der Belastbarkeit akzeptieren. Natürlich ist es wünschenswert, in jedem Beruf stets topfit zu sein. Doch wenn Busfahrer, OP-Schwestern, Kita-Pädagogen oder Rettungs- und Sicherheitskräfte einen Schwächeanfall haben, kann das mitunter schwerwiegendere Auswirkungen haben.

Letztlich ist die Frage, wie Deutschland mit dem Ramadan umgeht, untrennbar verknüpft mit dem Umgang der Muslime selbst mit ihrem Fastenmonat. Je weniger dogmatisch und je offener die muslimischen Gemeinden ihn begehen, desto entspannter dürfte auch der Blick von allen anderen ausfallen.

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