"Die Truppe ist nur bedingt einsatzbereit" Interview mit Ex-Nato-General Egon Ramms

General a.D. Egon Ramms war der ranghöchste deutsche General in der Nato. Er verlangt Milliarden für die Bundeswehr und mehr Rückhalt für die Truppe in der Gesellschaft.

 Egon Ramms war der ranghöchste deutsche General in der Nato.

Egon Ramms war der ranghöchste deutsche General in der Nato.

Foto: dpa

Er war der ranghöchste deutsche General in der Nato. Und er kennt die Befindlichkeiten in der Truppe wie kaum ein anderer. General a.D. Egon Ramms verlangt Milliarden für die Bundeswehr und mehr Rückhalt für die Truppe in der Gesellschaft.

Herr General, wie finden Sie die Berufung von Frau Kramp-Karrenbauer zur neuen Verteidigungsministerin?

Egon Ramms Das hat mich überrascht. Es hat ja auch noch andere gute Kandidaten geben, wie etwa Verteidigungs-Staatssekretär Peter Tauber, der Hauptmann der Reserve ist und fachlich eingearbeitet, oder Minister Jens Spahn. Dann wäre aber wohl die Balance im Kabinett gestört gewesen.

Es ist doch gut für die Truppe, wenn die CDU-Vorsitzende dieses wichtige Ressort zur Chefsache macht.

Ramms Das stimmt. Man muss Frau Kramp-Karrenbauer 100 Tage Einarbeitungszeit geben, um eine erste Einschätzung abzugeben. Das sollten wir auch tun. Ich hoffe man lässt ihr die Zeit.

Welche sind die größten Herausforderungen in dieser Zeit?

Ramms Die neue Ministerin muss in den Etatverhandlungen mit dem Finanzminister die Priorität, die die Bundeswehr verdient und die sie in ihrer Rede auch angesprochen hat, sichtbar werden lassen. Die Bundeswehr braucht deutlich mehr Geld als bisher vorgesehen.

Frau von der Leyen scheiterte bisher mit ihrer Forderung nach einem Etat von 47 Milliarden Euro.

Ramms Das ist die Größenordnung, die mindestens umgesetzt werden muss. Aber die SPD sperrt sich. Das zeigt, dass die Bundeswehr eben in dieser Regierung als Ganzes doch keine Priorität genießt.

Ist das Panikmache oder ist die Armee wirklich so unterfinanziert?

Ramms Es gibt heute Verbände in der Luftwaffe oder im Heer, die nicht über einsatzbereite Flugzeuge oder Panzer in ausreichender Zahl verfügen und somit weder eine angemessene Ausbildung betreiben können, noch einsatzbereit sind. Wie kann die Politik dem zusehen? Die Bundeswehr ist technisch und materiell nur bedingt einsatzbereit. Wer angesichts dieser Fakten von Aufrüstungsspirale spricht, betreibt Populismus.

Die neue Ministerin will an dem Ziel, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in das Militär zu investieren, festhalten.

Ramms Das begrüße ich sehr. Diese Zielmarke wurde vor 17 Jahren bei einem Nato-Gipfel in Prag beschlossen. Da hieß der US-Präsident noch George W. Bush. Dem Ziel haben wir zugestimmt, auch in Wales 2014 nach der Krim-Annexion und 2016 in Warschau nochmals zugestimmt. Wenn Deutschland als Bündnispartner ernst genommen werden will, muss es sich an die eigenen Zusagen halten. Die Bund eswehr wurde seit 2011 konsequent herunter gewirtschaftet und ist ausgeblutet. Von 2011 bis 2014 haben wir uns um Landes- und Bündnisverteidigung nicht gekümmert. Zum Vergleich: Wir hatten 1989 rund 9000 schwere Waffensysteme alleine im Heer, heute sind es noch ca. 900. Es gibt keinen Kalten Krieg mehr, aber neue Bedrohungen und militärische Aktivitäten in der Nähe. Die Bundeswehr muss ihren Auftrag erfüllen können.

Heißt, über eine europäische Verteidigungsunion brauchen wir nicht reden?

Ramms Richtig. Das ist ein Projekt für die kommenden 30 Jahre. Wir sollten doch erstmal in der Nato die Hausaufgaben machen und bündnisfähig werden. Im Lissaboner Vertrag ist eine europäische Armee nicht vorgesehen. Die Partnerschaft in der Nato besteht dieses Jahr 70 Jahre, mit Deutschland als Mitglied 64 Jahre. Es wäre gut, wenn wir diesen gewaltigen Nachholbedarf abbauen, bevor wir über die europäische Armee reden.

Hat die Bundeswehr keine Lobby in der Gesellschaft?

Ramms Nein, leider nicht. Die Gesellschaft kümmert sich zu wenig um die Frauen und Männer, die uns beschützen, die sogar ihr Leben für Frieden und Freiheit riskieren. Die Bundeswehr ist das Stiefkind der Gesellschaft. Das ändert sich aber nur, wenn auch die Politik sich kümmert.

Muss die Wehrpflicht wieder eingesetzt werden?

Ramms Es wäre 2010/2011 richtig gewesen, die Wehrpflicht in eine allgemeine Dienstpflicht zu überführen, zumindest aber darüber politisch zu debattieren. Überall fehlt doch heute Nachwuchs, beim Roten Kreuz und anderen sozialen Organisationen, bei den Feuerwehren, bei der Bundeswehr. Das wäre eine politische Debatte, die sich zum Wohl unseres Landes lohnt. Dafür müsste aber das Grundgesetz geändert werden.

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