Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz In schwieriger Mission

Sinzig/Koblenz · Die rheinland-pfälzischen Grünen kommen mit ihren Themen nicht durch. Die Sorge um den Wiedereinzug in den Landtag ist groß.

 Heimspiel in Sinzig: Die Grünen-Spitzenkandidatin Eveline Lemke, die im Ortsteil Bad Bodendorf wohnt, im Gespräch mit der Bürgerin Hildegard Grober.

Heimspiel in Sinzig: Die Grünen-Spitzenkandidatin Eveline Lemke, die im Ortsteil Bad Bodendorf wohnt, im Gespräch mit der Bürgerin Hildegard Grober.

Foto: Martin Gausmann

Tabea Rößner weiß, wie es ist, aus dem Landtag zu fliegen. Vor zehn Jahren, als die Grünen nur auf 4,6 Prozent kamen, war sie Landesvorsitzende ihrer Partei in Rheinland-Pfalz. An diesem Samstagmorgen sitzt sie im Kreis von 15 Bürgern in einem Café am Sinziger Kirchplatz und erinnert sich: „Damals konzentrierten sich zum Schluss alle auf das Duell Beck gegen Böhr, und selbst viele Grünen-Wähler haben SPD gewählt, weil sie die CDU nicht ranlassen wollten.“

Rößner ist heute eine von drei grünen Bundestagsabgeordneten aus Rheinland-Pfalz: „In diesen Tagen habe ich ein Déjà-vu“, sagt sie, „alles konzentriert sich auf das Duell Dreyer gegen Klöckner, und für uns ist es unheimlich schwierig, mit Umweltthemen durchzukommen.“ In der jüngsten Umfrage stehen die Grünen nur noch bei sechs Prozent. Und so ist Rößners Sorge groß, dass es den Grünen am nächsten Sonntag wieder so gehen könnte wie 2006.

Eveline Lemke lebte damals erst ein Jahr in Rheinland-Pfalz und war mehr mit ihrer Arbeit als Unternehmensberaterin, ihrem Hobby als Sportvereinsvorsitzende und als Mutter beschäftigt. Die Politik kam erst danach. Doch das änderte sich, als sie sich im Herbst 2006 aufmachte, als Nachfolgerin Rößners dem Landesverband neue Kraft zu verleihen. Das gelang, führte sie die Grünen 2011 doch als Spitzenkandidatin mit 15,4 Prozent nicht nur zurück in den Landtag, sondern auch in die Regierung, wo sie Wirtschaftsministerin und Vize von Kurt Beck wurde.

Unter Becks Nachfolgerin Malu Dreyer blieb sie beides – und würde es nach der Wahl in einer rot-grünen Koalition gern wieder werden. „Wer Malu will, muss mit der Zweitstimme Grün wählen“, sagt die Spitzenkandidatin Lemke am Wahlkampfstand auf dem Sinziger Markt.

Lemke selbst ist mächtig stolz darauf, in der Landesregierung „fast das komplette Wahlprogramm“ umgesetzt zu haben. „Wir haben das Bildungssystem weiterentwickelt, die Energiewende auf den Weg gebracht und dazu noch das Flüchtlingsmanagement gut hinbekommen“, erzählt sie. Doch sie habe das Gefühl, dass für viele Bürger die Landespolitik 2016 weiter weg sei als etwa vor fünf Jahren. „Erst ging es um den Terror in Paris, dann um die Kölner Silvesternacht, immer wieder um die Flüchtlinge und jetzt auch noch um die Drogen von Volker Beck. Unsere Mitglieder stehen an den Ständen und wissen nicht, wie ihnen geschieht“, meint Lemke. Einer der Mitglieder ist Robert Kolle, grünes Ratsmitglied in Sinzig. „Ob es bei Rodungen für den Windpark Unregelmäßigkeiten gibt, die Straße kaputt ist, die Herausforderungen in der Flüchtlingsfrage“, bei den Grünen würden die Menschen ihren Frust abladen, sagt er. Irgendwie passt es ins Bild, dass der Nieselregen an diesem Morgen viele der Wahlprospekte nass macht, ehe Kolle und seine Mitstreiter diese unter das Wahlvolk bringen können.

Lemke will sich von der mitunter miesen Stimmung nicht anstecken lassen und nimmt sich viel Zeit für Gespräche – für Hildegard Grober aus Rolandseck sogar eine Viertelstunde. Und wie ist der Eindruck? „Sie ist sympathisch und nett“, findet Grober. Eine 71-jährige Sinzigerin sieht in Lemkes Auftreten sogar Ähnlichkeiten mit dem Stuttgarter Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. „Beide haben Positionen, die sie sehr klar vertreten.“ Bei Lemke habe sie beeindruckt, wie sehr sie sich für den Nationalpark im Hunsrück stark gemacht und diesen dann auch durchgesetzt habe.

Der ist im Wahlkampf aber allenfalls ein Randgebiet, genau wie die ur-grünen Themen Klima- und Umweltschutz. Und so versucht die Energieministerin Lemke, eine Verbindung zum Megathema Flüchtlinge zu ziehen: „Wir können die Fluchtursachen bekämpfen, indem wir uns unabhängiger von Öl und Gas machen“, sagt sie, „je mehr Energie wir selbst produzieren, desto weniger Energie können Länder wie Saudi-Arabien verkaufen.“ Dort stünde dann weniger Geld zur Waffen-, Kriegs- und Terrorfinanzierung zur Verfügung. Ihre These: Windkraft als Beitrag zur Friedenssicherung.

Am Mittag in Koblenz ist nicht nur die Spitzenkandidatin, sondern auch die Nummer zwei auf der Liste, Fraktionschef Daniel Köbler, dabei. Doch während man Lemke stets mit Bürgern im Gespräch sieht, steht Köbler meist am Wahlkampfstand, um sich mit den eigenen Leuten zu unterhalten.

„Viele sind verunsichert“, sagt er später dem GA. Wenige Tage zuvor war ein Papier von führenden Grünen im Land bekannt geworden, in dem von „Grenzsicherungsmaßnahmen und Hotspots“ die Rede war, mit denen „die ungesteuerte Zuwanderung von Flüchtlingen nach Mitteleuropa deutlich abgeschwächt“ werden sollte. Das klang eher nach CSU als nach den Grünen. Die Seele der Partei war verletzt. „Da waren Formulierungen drin, die noch nicht abgestimmt waren“, sagt Köbler.

Aus der Sicht von Tabea Rößner war diese Panne mangelnder Kommunikation geschuldet. Sie nennt sie zudem aber auch „sehr peinlich“ und „katastrophal“. Ein weiterer Punkt, der sie mit Sorge auf den 13. März blicken lässt.

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