Flüchtlingskonferenz in Berlin In größter Not vereint

BERLIN · Syriens Nachbarstaaten fordern bei der eintägigen Flüchtlingskonferenz in Berlin mehr internationale Hilfe ein.

Flüchtlingskonferenz in Berlin: In größter Not vereint
Foto: ga

Der Hilferuf ist unüberhörbar. Auch wenn er im Weltsaal des Auswärtigen Amtes selbst zu diesem Anlass nicht zum Schrei wird. Um Gastgeber Frank-Walter Steinmeier und UN-Flüchtlingskommissar Antonio Guterres haben sich die Außenminister oder deren Stellvertreter jener Staaten versammelt, die seit dreieinhalb Jahren die Folgen der "syrischen Katastrophe", wie es einer formuliert, aushalten müssen. Es fehlt an allem: Wasser, Unterkünfte, medizinische Versorgung, Krankenhäuser, Schulen und auch Arbeit in den Aufnahmeländern jener rund 3,2 Millionen registrierten Syrer, die seit Beginn des Bürgerkrieges 2011 aus ihrem Land geflüchtet sind.

Die Bundesregierung hat für einen Tag zur Syrien-Flüchtlingskonferenz nach Berlin geladen. Eine politische Lösung muss her, vor allem aber konkrete Hilfe für Syriens Nachbarländer. Und zwar schnell. Mit Steinmeier sitzen auch Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) in der Krisenrunde. Fast alle Redner zeichnen ein düsteres Bild der Lage, das der stellvertretende türkische Außenminister Naci Koru "eines der schlimmsten humanitären Desaster unserer Zeit" nennt. Nach Libanon mit 1,13 Millionen Syrern hat die Türkei von den Ländern in der Region mit gut einer Million die meisten Syrien-Flüchtlinge aufgenommen. Not und Flüchtlingselend haben sich in den Aufnahmestaaten breit gemacht, deren eigene Bevölkerung durch steigende Mieten und sinkende Löhne die Folgen des Bürgerkriegs in Syrien dramatisch zu spüren bekommt. Vor allem im Libanon.

Das Land mit seinen ursprünglich vier Millionen Einwohnern ist inzwischen auf fünf Millionen gewachsen. Jeder Fünfte im Libanon ist ein Flüchtling. Zum Vergleich: Deutschland hat in den dreieinhalb Jahren des syrischen Bürgerkrieges bislang rund 70 000 Menschen von dort Zuflucht gewährt. Der libanesische Ministerpräsident Tammam Salam, der am Abend zuvor auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel empfangen worden ist, macht dann auch deutlich, dass sein Land die Grenze der Belastbarkeit, auch für die heimische Wirtschaft, längst erreicht hat. Salam warnt inzwischen vor einer Destabilisierung seines Landes - mit allen Folgen. Ein "guter Nährboden" für Extremismus. Gastgeber Steinmeier mahnt tags darauf: "Die Stabilität der gesamten Region steht auf dem Spiel." Merkel hatte noch appelliert: "Ich hoffe, dass von dieser Konferenz ein starkes Signal der Solidarität ausgeht."

Solidarität ist bitter nötig. Jordanien, das nach Wasservorräten viertärmste Land der Erde, wie Außenminister Nasser Judeh erklärt, ist mit der Aufnahme von gut 600 000 Syrien-Flüchtlingen gleichfalls am Limit. Judeh spricht von einer "riesigen Last" und sozialen Spannungen durch den Flüchtlingszustrom in sein Land. Er sagt: "Das wenige Wasser, das wir haben, teilen wir mit den Flüchtlingen." Sein unmissverständlicher Appell: "Die internationale Gemeinschaft muss Jordanien helfen." Das gilt auch für Irak und Ägypten, wohin sich nochmals Hunderttausende Syrer gerettet haben. In Ägypten fehlen nach den Worten von Vize-Außenminister Abdelrahman Salah jegliche Flüchtlingscamps. Die Syrer lebten mitten in der Mehrheitsgesellschaft.

UN-Flüchtlingskommissar Guterres spricht über Krieg und Frieden. In seinen Zeiten als Student habe es "in Kriegen noch Sieger gegeben". Doch diese Zeiten seien vorbei. Es werde in Syrien und an seinen Grenzen keine humanitäre Lösung geben und auch keine militärische, sondern nur eine politische. Die Konfliktparteien müssten endlich verstehen, "dass sie alle verlieren". Syriens Nachbarstaaten brauchten "massive und konkrete Unterstützung (...), um eine humanitäre Katastrophe zu vermeiden".

Angesichts der Not stockt die Bundesregierung ihre Syrien-Flüchtlingshilfe auf: 140 Millionen Euro zusätzlich noch in diesem Jahr sowie weitere 500 Millionen Euro für die Jahre 2015 bis 2017. Entwicklungsminister Müller warnt dann noch eindringlich vor den Folgen des nahen Winters: "Es regnet, dann kommt die Kälte, dann der Tod."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort