Sechs Prozent mehr Gehalt Im öffentlichen Dienst drohen Warnstreiks

Berlin · Schulen, Kliniken, Kitas, Ämter: Wenn es bei den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst ans Eingemachte geht, lassen die Gewerkschaften ihre Muskel spielen. Die Bürger müssen sich auf neue Ausstände einstellen.

 Verhandlungsführer Frank Bsirske, Vorsitzender der Gewerkschaft ver.di, nimmt an der Auftaktdemonstration teil.

Verhandlungsführer Frank Bsirske, Vorsitzender der Gewerkschaft ver.di, nimmt an der Auftaktdemonstration teil.

Foto: Kay Nietfeld

Nach dem ergebnislosen Auftakt der Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder drohen neue Warnstreiks. Die Gewerkschaften riefen die Beschäftigten am Montag in Berlin zu ersten Aktionen auf, wie Verdi und der Beamtenbund dbb mitteilten.

Als wahrscheinlich galt, dass noch ab Januar beispielsweise Kitas in den Stadtstaaten bestreikt werden, genauso Universitätskliniken, Ämter und Schulen.

Die Gewerkschaften fordern sechs Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 200 Euro pro Monat. Verhandelt wird laut dbb für eine Million Tarifbeschäftigte der Länder außer Hessen, das eigene Tarifverhandlungen führt. Übertragen werden solle der Abschluss auf rund 2,3 Millionen Beamte und Versorgungsempfänger. Die Länder lehnten die Forderungen als überzogen ab. Beide Seiten wollen am 6. und 7. Februar sowie 28. Februar und 1. März erneut zusammenkommen, dann in Potsdam.

FORDERUNGEN:

Die Gewerkschaften wollen auch eine Aufstockung um 300 Euro in der Gehaltstabelle für die Krankenpflege. 100 Euro mehr pro Monat soll es für Azubis und Praktikanten geben. Die Laufzeit soll 12 Monate betragen. Wo der Abstand des öffentlichen Dienstes zur Privatwirtschaft besonders groß sei, sollten die Betroffenen die Verbesserung besonders deutlich spüren, sagte Verdi-Chef Frank Bsirske. "Da geht es um Techniker, Meister, Ingenieure, qualifizierte Fachhochschulabsolventen", so Bsirske. "Da muss man ran und das verbinden mit einer deutlichen Erhöhung bei den unteren Lohngruppen."

ARGUMENTE DER GEWERKSCHAFTEN:

"Wir reden im Moment über 17,1 Milliarden, die erstmal noch im Säckel da sind zum Verteilen", sagte dbb-Chef Ulrich Silberbach. So hoch seien die Steuerüberschüsse der Länder. Die Gewerkschaftsforderungen kosteten 6,4 Milliarden Euro. Das Geld sei - wenn die Länder den Forderungen folgten - gut angelegt. "Neben der Infrastruktur muss das Personal leistungsfähig geschaltet werden." Bsirske sagte: "Wir sind in einer Situation anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwungs, und zwar gestützt auf den Binnenmarktmotor, der sich wiederum einer guten Lohnentwicklung verdankt." Dieser Motor müsse angesichts von Brexit und Handelskonflikten rund um die USA stabilisiert werden. Der Fachkräftemangel sei zudem in vielen Bereichen des öffentlichen Dienstes eklatant.

POSITION DER ARBEITGEBER:

Zunächst rechnen die Länder schon einmal anders. "Wenn man das Paket zusammenrechnet, liegt es bei zehn Prozentpunkten in einem Jahr", sagte ihr Verhandlungsführer, Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) und amtierender Chef der Länder-Tarifgemeinschaft TdL, über die Forderungen. "Und das ist zuviel." Jeder Prozentpunkt mache 1,3 Milliarden Euro aus.

Und sie argumentieren mit ihrem Schuldenberg und dem endgültigen Greifen der Schuldenbremse ab 2020. Das bedeute, dass es Vorgaben an die Länder gebe, von ihren rund 570 Milliarden Schulden etwas zurückzubezahlen, so Kollatz. "Es muss unter einen Hut gebracht werden, dass wir mehr Leute einstellen wollen (...), das Zweite ist, jawohl, es soll mehr für die Beschäftigten geben und als Drittes: Es muss möglich sein, dem Investitionsbedarf Rechnung zu tragen und dem Schuldendeckungsbedarf."

WO FACHKRÄFTE FEHLEN:

Kollatz sagte: "Die Länder haben sehr viel im Bereich Lehrerinnen und Lehrer eingestellt in letzten Jahren." Doch der Bedarf sei weiter groß. "Es geht auch im das Thema IT, und es geht auch um Themen (...) wie Rettungskräfte." Der dbb betonte, der öffentliche Dienst habe im Vergleich mit der Privatwirtschaft im Schnitt mehr ältere Beschäftigte und müsse sich stärker um Nachwuchs bemühen.

STREIKWAHRSCHEINLICHKEIT:

Diese ist hoch - schon allein, weil solche Verhandlungen kaum ohne Warnstreiks ablaufen, aber auch weil die Positionen dieses Mal besonders weit voneinander entfernt scheinen. "Wir sind sehr mobilisierungsfähig an den Uniklinika", sagte Bsirske. "Wir haben im Sozial- und Erziehungsdienst hier in Berlin beispielsweise eine große Beschäftigtengruppe, die deutlich hinter der Entwicklung im kommunalen Bereich im Bundesgebiet hinterherhinkt." Und auch die Lehrkräfte könnten sich gut für ihre Interessen einsetzen. Angestrebt werde aber ein Ergebnis am Verhandlungstisch.

dbb-Chef Silberbach sagte: "Wenn weiterhin die Mauertaktik hier gefahren wird, dann bin ich mir sicher, dass die Kolleginnen und Kollegen kein Verständnis dafür haben." Vor dem jüngsten Abschluss vor zwei Jahren hatten Warnstreiks unter anderem das Schulleben in weiten Teilen Deutschlands massiv gestört. Zudem blieben Kitas und Straßenmeistereien geschlossen.

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