Über „Fridays-for-Future“-Bewegung „Ich hätte gerne, dass aus dem Protest Gestaltung wird“

Von Rückschlägen lässt sich Klaus Töpfer nicht entmutigen. Seit mehr als 40 Jahren setzt er sich für den Umweltschutz ein - auch gegen Widerstände in der eigenen Partei, der CDU. Bei einem Besuch in Bonn sprach Daniela Greulich mit Töpfer über die aktuelle Klimapolitik und die Proteste von "Fridays for Future".

 Klaus Töpfer.

Klaus Töpfer.

Foto: dpa/Britta Pedersen

Herr Töpfer, Union und SPD wollen an diesem Freitag ein umfangreiches Maßnahmenpaket zum Klimaschutz beschließen. Was erwarten Sie sich davon?

Klaus Töpfer: Ich erwarte, dass die Bundesregierung die Ziele, die sie formuliert hat, nachvollziehbar und verlässlich in Maßnahmen umsetzt. Bis zum Jahr 2020 sollte eigentlich der Ausstoß von Treibhausgasen gegenüber 1990 um 40 Prozent gesenkt werden. Dieses Ziel ist nicht erreicht worden. Bis zum Jahr 2030 brauchen wir also eine deutliche Rückführung der CO2-Emissionen, um die bis dahin vereinbarte Verringerung um 55 Prozent zu schaffen. Man darf nicht sagen, dann werden die Ziele eben später erreicht. So geht viel Vertrauen in die Politik verloren. Grundvoraussetzung, um wieder Vertrauen aufzubauen, ist es, den Zielen auch konkrete Maßnahmen folgen zu lassen.

Welche schweben Ihnen da vor?

Töpfer: Das muss eine breite Palette sein, die die Landwirtschaft ebenso abdeckt wie die Energiemärkte und sich auch mit Fragen der Mobilitätswende beschäftigt, denn diese umfasst ja mehr, als den Verbrennungsmotor durch einen Elektromotor zu ersetzen. Bisher ist die Energiewende eine Stromwende mit der fast schon perversen Konsequenz, dass diese jetzt immer sauberer werdende Stromversorgung dadurch die teuerste wird, dass sie ihre Entwicklungskosten über die EEG-Umlage direkt und allein zu tragen hat. Die Technologie für Solar- und Windenergie ist weit vorangebracht worden. Künftig müssen wir Strom, Wärme und Mobilität gemeinsam in den Blick nehmen. Mir persönlich liegt es auch sehr am Herzen, die globalen Wirkungen und Notwendigkeiten miteinzubeziehen. Ich habe acht Jahre als Exekutivdirektor des Umweltprogramms der Vereinten Nationen in Nairobi gelebt, seitdem hat das für mich eine hohe Priorität.

Wie kann das gelingen?

Töpfer: Man muss die Themen Klima und Entwicklung zusammenbringen. Man braucht Technologien der Energieversorgung, die nicht fossil sind, aber auch nicht durch Kernenergie getragen werden und doch global wettbewerbsfähig sind. Ein technologisch führendes Land wie Deutschland muss also solche Techniken entwickeln, die sowohl globalisierungsfähig als auch demokratiefähig sind. Das haben wir mit der Solartechnik erreicht. Leider gibt es derzeit weltweit eine Krise der Multilateralität. Ich hoffe, dass sie nicht auch beim Thema Klima bröckelt.

Sollte CO2 hierzulande ein Preisschild bekommen?

Töpfer: Ich warne davor zu glauben, es reicht darüber zu entscheiden, wie man CO2 bepreist. Das ist wichtig, aber bei Weitem nicht das Einzige, es muss wesentlich weiter gehen. In der Vergangenheit haben wir Stickoxide durch den Dreiwegekatalysator aus den Autoabgasen gefiltert - also keinen Preis festgesetzt, sondern Grenzwerte und die Technik entwickelt. Ich bin ein Ordnungsrechtler, was überraschen mag, da meine Partei im Allgemeinen nicht gerade durch ordnungspolitischen Überschwang bekannt ist. Aber ich sage das mit großem Nachdruck: Wir brauchen eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft, die mit Ordnungsrecht klarmachen muss, wo dieser Staat hingeht, wie er sich mit der Schöpfung auseinandersetzt und sie für zukünftige Generationen erhält.

Sie trommeln seit 40 Jahren für den Umweltschutz, aber in Ihrer Partei ist außer Lippenbekenntnissen eigentlich wenig passiert...

Töpfer: Es hat nicht nur eine Lücke in der sachlichen Diskussion gegeben, sondern auch in der personellen Entwicklung. Wenn man mit Klima und Umwelt in der Partei nur schwer Karriere machen kann, kommen wenige junge Menschen auf die Idee, sich mit Umweltpolitik zu beschäftigen. Das gilt aber nicht nur für die CDU. Wir brauchen dringend neue Gesichter, neue überzeugende Persönlichkeiten für dieses Politikfeld. Ich sehe mit Freude, dass Andreas Jung jetzt in diese Rolle hineinwächst, ebenso wie andere junge Leute, die jetzt neu im Parlament sind. In der Vergangenheit ist zu wenig passiert und man hat das Thema nicht ernst genug genommen. Aber wir dürfen den Kopf nicht in den Sand stecken. Die Chinesen haben einen schönen Satz: Die beste Zeit, einen Baum zu pflanzen, war vor 30 Jahren. Die zweitbeste ist jetzt. Deswegen ist diese Woche in der deutschen Klimapolitik so wichtig.

Sie sind also nicht frustriert?

Töpfer: Ich werde öfter gefragt, ob ich frustriert bin oder zynisch über die Dinge hinweggehe - nur weil ich mich schon so lange für den Umweltschutz einsetze. Aber ich bin schon sehr davon überzeugt, dass wir das Thema weltweit voranbringen müssen. Was mich beunruhigt ist, dass es noch viele Menschen gibt, die nicht der Meinung sind, dass es einen vom Menschen gemachten Klimawandel gibt. AfD-Chef Alexander Gauland hat im Sommerinterview gerade genau das gesagt - gegen jede weltweit vorhandene wissenschaftliche Evidenz.

Wie sehen Sie die "Fridays-for-Future"-Bewegung? Dadurch ist der Klimaschutz ja viel stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt.

Töpfer: Das ist prima. Junge Menschen müssen ihrem Ärger Luft machen und das auch nicht nur in der stillen Ecke. Über das Verfahren kann man sich streiten, denn sie müssen auch etwas für ihre Zukunft lernen, sage ich als Großvater von vier Enkelkindern.

Würden Sie mitdemonstrieren, wenn sie heute ein Jugendlicher wären?

Töpfer: Ich hätte mitgemacht, aber unter einer Voraussetzung. Was mich wirklich irritiert ist, dass niemand mehr Politik machen will. Wir haben uns angewöhnt, Politik als zu belächelnde und eigentlich auch abzulehnende Größe anzusehen. In fast keiner Kabarettsendung im Fernsehen fehlt die Häme auf die Politik. Ich hätte es also ganz gerne, dass aus dem Protest Gestaltung wird, dass die jungen Leute sagen, jetzt machen wir was in der demokratischen Politik. Wo und wie, ist jedem selbst überlassen. Aber am Ende wird über die Klimapolitik nicht in der Öffentlichkeit entschieden, sondern im politischen Bereich.

Verliert die CDU gerade über das Umweltthema die jungen Leute, die eher Grün wählen?

Töpfer: Die Gefahr ist natürlich gegeben, und das ist eine sehr schlechte Situation für die Partei. Das sollte man nicht in der Tagesordnung vergessen.

Und wie kann Ihre Partei die jungen Leute wieder für sich gewinnen?

Töpfer: Es kommt immer darauf an, ob man das Anliegen glaubwürdig vertreten sieht. Und daran hat die CDU sicher intensiv zu arbeiten.

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