Kommentar zu Dreierkoalitionen Gönnen können

Meinung | Berlin · Das Bild eines großen Maître, der im Zweifel durch die ganze Küche brüllend seine Brigade dirigiert, passt immer seltener zu der Weise, in der die Wähler die Macht verteilen. Das Berliner Ergebnis zeigt einen generellen Trend: Das politische Feld erweitert sich und es differenziert sich aus.

 Der Parteivorsitzende der Partei Die Linke in Berlin, Klaus Lederer (l-r), der Vorsitzende der Berliner SPD und regierender Bürgermeister von Berlin, Michael Müller und die Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen bei den Abgeordnetenhauswahlen, Ramona Pop, informieren über den Stand der Koalitionsverhandlungen.

Der Parteivorsitzende der Partei Die Linke in Berlin, Klaus Lederer (l-r), der Vorsitzende der Berliner SPD und regierender Bürgermeister von Berlin, Michael Müller und die Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen bei den Abgeordnetenhauswahlen, Ramona Pop, informieren über den Stand der Koalitionsverhandlungen.

Foto: dpa

Die Hauptstadt wird demnächst von einer rot-rot-grünen Koalition regiert. Es ist das erste Mal in der Geschichte der Republik, dass ein solches Bündnis unter Führung der SPD zustande kommt. Wenn man auf die Verhandlungspartner schaute, dann stellte sich allerdings kaum ein historisches Gefühl ein. Zu besichtigen waren ein paar Erwachsene mit gemäßigt freundlichen Gesichtern, die wissen, dass sie auf eine pragmatische Weise sorgsam miteinander umgehen müssen, wenn sie regieren wollten.

Pathos? Große Worte? Gebärden der Macht? Nichts davon. Das ist eigentlich ganz angenehm. Im Roten Rathaus – und in der Republik – wird der Abschied von einem Politikstil eingeleitet, der viel zu lange als alternativlos galt: Koch und Kellner können nach Hause gehen. Sie sind entlassen.

Das Bild eines großen Maître, der im Zweifel durch die ganze Küche brüllend seine Brigade dirigiert, passt immer seltener zu der Weise, in der die Wähler die Macht verteilen. Das Berliner Ergebnis zeigt einen generellen Trend: Das politische Feld erweitert sich und es differenziert sich aus. In den Anfängen der Republik galt eine große Koalition als ordnungspolitisch unerwünschte Ausnahme. Die FDP ermöglichte der jeweiligen Volkspartei, eine sogenannte kleine Koalition zu bilden. Der Einzug der Grünen und der PDS änderte dies zunächst nicht. Aber seit Gründung der Linkspartei 2005 regiert im Bund die zweite große Koalition. Aus der Ausnahme wurde auch in den Ländern schleichend das nächstbeste Mittel, um die ungeliebte Dreierkonstellation zu vermeiden. Erfahrungen gab es in der Vergangenheit allein auf Landesebene, sie überdauerten jeweils keine Legislaturperiode.

Was als Schwäche der Volksparteien beklagt wird, macht es einerseits zwingend, andere Mehrheiten zu bilden. Andererseits birgt dies auch die Chance, einen zeitgemäßen, weniger paternalistischen, kooperativen Politikstil zu etablieren. Das alte strategische Ziel der Volkspartei, den Juniorpartner klein zu regieren, muss passé sein.

Wer zu dritt stabil regieren will, muss alte Rituale der Macht hinter sich lassen und den beiden anderen Partnern ihre Stärken und Alleinstellungsmerkmale gönnen. Politisch ist das eine schwierige Gratwanderung ohne Vorbilder – mit offenem Ausgang. Und es wird sich zeigen, wie der Politikertypus aussehen muss, der solch ein Bündnis erfolgreich moderieren kann.

Derzeit dienen die Länder als Labor – es regieren bald fünf Koalitionen mit drei Partnern, und natürlich kann der Bund daraus Erfahrungen ziehen. Die Farbe der Koalition spielt für die Suche nach dem Umgang möglicherweise keine entscheidende Rolle. In Thüringen, wo man auf zwei Jahre rot-rot-grün blicken kann, hat der Chef der Staatskanzlei, Benjamin Hoff, das Regierungsprinzip auf einen sehr einfachen Nenner gebracht: Gönnen können.

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