Kontrovers diskutierte Debatte Gegenwind für Organspende-Plan von Jens Spahn

Berlin · Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bekommt in seinem Werben für neue Organspende-Regeln in Deutschland Gegenwind zweier Amtsvorgänger. Die frühere Ministerin Ulla Schmidt (SPD) und Ex-Resortchef Hermann Gröhe (CDU) bekräftigten am Donnerstag ihr Nein.

 Auf der Rückseite eines ausgefüllten Organspendeausweises ist das Zustimmungsfeld angekreuzt.

Auf der Rückseite eines ausgefüllten Organspendeausweises ist das Zustimmungsfeld angekreuzt.

Foto: Marie Reichenbach

Rund 10.000 Menschen in Deutschland warten auf ein Spenderorgan. Wie die Zahl der Organspender erhöht werden kann, wird seit Monaten kontrovers diskutiert. Am Donnerstag warfen die ehemaligen Gesundheitsminister, Ulla Schmidt (SPD) und Hermann Gröhe (CDU), ihre Kapazität für eine Zustimmungslösung in die Waagschale. Demnach sollen nach dem Tod nur jenen Organe entnommen werden dürfen, die dem zu Lebzeiten zugestimmt haben.

Gemeinsam können Ulla Schmidt (SPD) und Hermann Gröhe (CDU) 13 Jahre Erfahrung an der Spitze des Gesundheitsministeriums in die Waagschale werfen. Und obwohl die Gesundheitspolitik immer zu den zwischen Sozialdemokraten und Union ideologisch umstrittenen Ressorts gehörte, sitzen die beiden Ex-Minister in trauter Eintracht nebeneinander. Es geht gegen die Pläne des amtierenden Gesundheitsministers Jens Spahn (CDU), der für die Organspende eine Widerspruchslösung verankern möchte.

Schmidt und Gröhe hingegen werben für eine erweiterte Zustimmungslösung, nach der die Betroffenen zu Lebzeiten Ja zur Organspende gesagt haben müssen. Noch in diesem Jahr soll eine Entscheidung zu dem umstrittenen und öffentlich breit debattierten Thema fallen. Für die Abstimmung im Bundestag soll die sonst übliche Fraktionsdisziplin aufgehoben werden. Normalerweise stimmen die Parlamentarier nach Linie ihrer Fraktion ab. In ethischen Fragen wird dieses Prinzip immer wieder aufgehoben. Das war auch schon so bei den Themen Spätabtreibung, Sterbehilfe und sogar bei der gleichgeschlechtlichen Ehe.

Hausärzte sollen beraten

Bislang hat sich bei den konkurrierenden Gesetzentwürfen noch kein klarer Favorit herausgestellt. Das Modell von Spahn, das auch der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach unterstützt, sieht vor, dass grundsätzlich jeder Bürger ab 18 Jahren Organspender ist, es sei denn er widerspricht dem ausdrücklich. „Das wäre ein tiefgreifender Einschnitt in das Selbstbestimmungsrecht des einzelnen Menschen“, sagt Schmidt. Von medizinischen Eingriffen bis hin zur Datenverordnung müssten die Bürger allem zustimmen. Das könne bei der Organspende nicht anders sein, argumentiert die SPD-Politikerin, die auch Vorsitzende der Behinderten-Organisation Lebenshilfe ist.

Nach Spahns Modell sollten Menschen mit eingeschränkten Fähigkeiten gar nicht mehr Organspender sein. Schmidt findet, man soll diese Menschen nicht ausschließen, auch sie könnten sich aktiv entscheiden, Organspender zu werden.„Es kann uns nicht ruhen lassen, wenn pro Tag drei Menschen sterben, weil für sie kein Organ zur Verfügung steht“, sagt Gröhe und will damit auch den Vorwurf abwehren, dass jene, die sich für eine Zustimmungslösung aussprechen, nicht alles dafür tun, Menschenleben zu retten.

Er verwies darauf, dass sein Modell noch mehr Menschen zu einer Entscheidung bringen soll, indem künftig auch die Hausärzte Beratungsgespräche anbieten und man bei der Beantragung des Personalausweises darauf aufmerksam gemacht wird, dass man sich in ein Organspenderegister eintragen lassen kann. Das Argument sei falsch, wonach eine Widerspruchslösung zu mehr Organspenden führe, sagt Schmidt und präsentiert eine Statistik, wonach in den Niederlanden mit einer Widerspruchslösung 2017 bei nur 14,4 Menschen pro einer Million Einwohnern nach dem Tod Organe entnommen werden konnten. In der Schweiz seien es 17,2 und in Dänemark 17,4 gewesen - in beiden Ländern gilt die Zustimmungslösung.

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