Interview "Gauck hat Emotionalität in das Amt gebracht"

Bonn · Der Politikwissenschaftler Martin Florack über Amtsführung, Besonderheiten und die Rolle des amtierenden Bundespräsidenten. Mit dem Politikwissenschaftler Martin Florack sprach Moritz Rosenkranz.

Interview: "Gauck hat Emotionalität in das Amt gebracht"
Foto: STEFFEN BENDER

Ist Joachim Gauck ein guter Bundespräsident?
Martin Florack: Da möchte ich keine Bewertung abgeben, weil es da keinen wissenschaftlichen Maßstab für gibt. Die Frage ist ja, ob er aus dem Amt etwas herausholt, ob eine eigene Programmatik vorhanden ist. Und da kann ich sagen: Es ist ein Gestaltungsanspruch bei ihm erkennbar. Ob das immer zur Zufriedenheit aller ist, sei mal dahingestellt.

Was ist das Besondere an Gauck?
Florack: Vor allem, dass er den Nominierungswettbewerb der Parteien und der Konfliktlinien durcheinandergewirbelt hat, weil er im zweiten Anlauf gewählt wurde, nachdem er zunächst gegen Christian Wulff verloren hatte und dann durch fast alle Parteien im Bundestag nominiert wurde. Und er hat es geschafft, das Amt zu stabilisieren. Das stellt niemand mehr in Frage.

Merkt man Gauck an, dass er nicht aus der Politik kommt?
Florack: Er ist kein Parteipolitiker, aber dennoch ein politischer Profi mit langjähriger Erfahrung. Und, wichtig: Er hat großes institutionelles Verständnis. Er weiß, wie man ein Präsidialamt organisieren muss.

Was ist charakteristisch für seine Amtsführung?
Florack: Er hat vor allem Emotionalität hereingebracht und damit auch einen Grundton, der sich deutlich von der sehr nüchternen Kanzlerin abhebt. Zudem gibt es zwei Aspekte seiner Themensetzung: Einerseits das große Thema Freiheit in Verbindung mit der multikulturellen Gesellschaft, das aus ihm selbst kommt. Andererseits besetzt er Themen wie Außenpolitik, wo er im Kern Sprachrohr für die Bundesregierung ist. Das Amt des Bundespräsidenten ist zudem ja sehr stark personalisiert. Das kommt Gauck zugute, weil er emotionalisiert.

Hält Gauck politische Reden oder Predigten?
Florack: Politische Reden sind ja immer auch ein bisschen Predigt. Bei ihm zeigt sich die Rolle des Amtes in Verbindung mit persönlicher Rolle. Die rhetorische Grundausstattung bringt er eben aus seiner Zeit als Pfarrer mit. Das kommt so stark zum Tragen, weil die politische Rede eher nüchtern ist. Das ist Gauck bewusst.

Wen repräsentiert Gauck eigentlich? Die Politik? Die Bürger? Die Intellektuellen?
Florack: Zunächst repräsentiert man sich als Bundespräsident selbst. Zudem ist man in dem Amt so unangefochten, dass man keiner Gruppe gegenüber zu Loyalität verpflichtet ist Gaucks Job ist es, mit vielen Leuten im ganzen Land zu sprechen, daraus zu filtern und eine Programmatik zu machen. Er schafft es zumindest, dass man ihn nicht mit einer bestimmten Gruppe in Verbindung bringt. Er erreicht viele Menschen aus unterschiedlichen Bereichen.

Was macht Gauck noch gut?
Florack: Es gelingt ihm, Aufmerksamkeit zu generieren. Man hat ihn gehört in den vergangenen zweieinhalb Jahren. Aber er hatte auch einen Startvorteil, weil er als Wulff-Nachfolger als Bundespräsident mit einer gewissen Erwartungshaltung angeschaut wurde.

Zur Person

Dr. Martin Florack ist Politikwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen. Der 37-Jährige ist verheiratet und hat einen Sohn. Er stammt aus Aachen und hat in München sowie ein Jahr in Irland studiert, bevor es ihn 2004 an die Uni Duisburg-Essen zog. Schwerpunkmäßig beschäftigt er sich vor allem mit Regierungs- und Landespolitik

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