SPD sucht neue Köpfe Führungsteams können sich für Parteivorsitz bewerben

Berlin · Nach vielen Jahrzehnten können sich bei den Sozialdemokraten auch Teams um den Parteivorsitz bewerben. Die Mitglieder werden über sie abstimmen. Bei einem Parteitag Anfang Dezember soll die Frage des SPD-Vorsitzes dann geklärt sein.

 Das kommissarische Führungstrio der SPD: (v.l.) Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer-Gümbel.

Das kommissarische Führungstrio der SPD: (v.l.) Malu Dreyer, Manuela Schwesig und Thorsten Schäfer-Gümbel.

Foto: AFP

Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg hat sich die SPD für eine Doppelspitze geöffnet. Nach stundenlanger Aussprache im Parteivorstand beschlossen die führenden Genossen am Montag, dass auch Zweierteams bei der Vorstandswahl antreten dürfen. Zudem sollen die Mitglieder in bis zu zwei Befragungen ihre Favoriten bestimmen.

Der Entscheidung an diesem Montag war ein wochenlanger Befragungsprozess vorausgegangen. Einfache Mitglieder bis hin zu Landesverbänden konnten Ideen für das neue Verfahren einreichen. Mehr als 23 000 Rückmeldungen erreichten die Parteizentrale, insgesamt zählt die SPD noch etwa 440 000 Mitglieder.

Das Verfahren, auf das man sich jetzt verständigt hat, läuft im Detail so ab: Vom 1. Juli bis 1. September haben Anwärter für das Amt des Parteivorsitzes Zeit, sich von mindestens fünf Unterbezirken, einem Bezirk oder einem Landesverband nominieren zu lassen. Bereits in dieser Phase muss jede Person mit Ambitionen festlegen, ob sie als Team oder als Einzelkandidat antreten will. Teams müssen immer mit einer Frau besetzt sein. Zwei Frauen oder Dreierteams sind ausgeschlossen.

Man will die Fläche gehen

Ab dem 1. September folgt dann der Bewerbungsprozess, bei dem zwischen 20 und 30 kleine Regionalkonferenzen abgehalten werden sollen. Man wolle dabei in die Fläche gehen und nicht riesige Hallen füllen, hieß es am Montag aus Parteikreisen. Die Idee: Auch Menschen mit schmalem Budget, die deswegen oder aus anderen Gründen keine lange Reise auf sich nehmen wollen, sollen teilnehmen können.

Im Oktober beginnt dann die erste Abstimmung. Per Brief oder Online-Votum sind die Mitglieder aufgerufen, sich für ein bestimmtes Team oder einen Einzelkandidaten zu entscheiden. Am 26. Oktober wird das Ergebnis verkündet. Wer dann mehr als 50 Prozent der Stimmen bekommen hat – egal ob Einzelkandidat oder Team –, wird automatisch vom Parteivorstand zur Wahl beim Parteitag Anfang Dezember vorgeschlagen. Wenn kein Team oder Einzelkandidat mehr als 50 Prozent der Stimmen für sich gewinnen konnte, gehen die erst- und zweitplatzierten Teams oder Einzelkandidaten in eine zweite Mitgliederbefragung.

Bilanz der GroKo

Möglich wäre auch, dass ein Team und ein Einzelkandidat in die Stichwahl gehen, wenn sich die beiden besten Ergebnisse so aufteilen. Wer diese zweite Runde für sich entscheidet, wird dann vom Parteivorstand den Delegierten zur Wahl vorgeschlagen. Rechtlich gebunden sind die Delegierten daran nicht. Man gehe aber davon aus, dass sie dem Votum folgen werden. Wichtig ist, dass die Partei auch dann ihre Satzung für eine Doppelspitze ändern kann, wenn ein Einzelkandidat das Rennen für sich entscheidet.

Bei dem Parteitag soll auch die Bilanz zur großen Koalition gezogen werden. Wie das genau abläuft, wurde am Montag aber nicht diskutiert. Es wird aber erwartet, dass dadurch der Bewerbungsprozess auch von der Frage geprägt sein wird, wie die Kandidaten zur Fortsetzung der großen Koalition stehen.

Kein Allheilmittel

Die kommissarische SPD-Chefin Malu Dreyer sagte, die SPD sei sich bewusst, dass die Pläne kein Allheilmittel gegen schlechte Umfragewerte darstellten. Aber so solle neuer Schwung in die Partei kommen. Am Ende des Auswahlverfahrens solle stehen: „Die Partei ist quicklebendig.“ Ihre Co-Vorsitzende Manuela Schwesig bekräftigte unterdessen, dass sie nicht für eine Kandidatur zur Verfügung stehe. Auch der dritte kommissarische SPD-Chef, Thorsten Schäfer-Gümbel, und Dreyer hatten das für sich bereits ausgeschlossen. Anders als bei ihnen hofften aber einige Spitzengenossen darauf, dass Schwesig noch einmal von ihrem Nein abrücken könnte.

Als mögliches Team kommen die amtierende Familienministerin Franziska Giffey und SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil in Betracht. Über Giffey schwebt jedoch das Damoklesschwert der Plagiatsprüfung. Kommt die Freie Universität Berlin zu dem Schluss, dass sie ihren Doktortitel abgeben muss, könnte das Giffey politisch erheblich beschädigen. Andere mögliche Kandidaten wären Außenminister Heiko Maas, NRW-Fraktionschef Thomas Kutschaty und Flensburgs Bürgermeisterin Simone Lange – ihnen werden aber nur geringe Chancen eingeräumt.

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