Kommentar zu Ursula von der Leyen und der Bundeswehr Führungsproblem

Meinung | Berlin · Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen macht es sich zu einfach, wenn sie Soldaten pauschal angreift, auch wenn sie in einem offenen Brief betont, ein Großteil der Truppe leiste „tagtäglich anständig und tadellos“ seinen Dienst. Sie kann sich nicht aus der Verantwortung stehlen.

 Viele Fragen an die Bundeswehr: Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen.

Viele Fragen an die Bundeswehr: Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen.

Foto: dpa

Die Bundeswehr hat ein Führungsproblem? Im Zweifel fängt das ganz oben an – bei der Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt, kurz: IBuK, und das ist Ursula von der Leyen. Heikles Amt, Schleudersitz, hochkomplexes Ministerium. Wer es vergessen hat: Bundeskanzlerin Angela Merkel beförderte Ende 2013 die ebenso umtriebige wie ehrgeizige Arbeitsministerin von der Leyen gezielt in dieses schwierige Amt. Ein geschickter Schachzug der Bundeskanzlerin, denn früher oder später ist noch (beinahe) jeder Minister an der Spitze des Verteidigungsministeriums in Turbulenzen geraten. Peter Struck war dabei eine absolute Ausnahme.

Bislang konnte von der Leyen, die angetreten war, die Bundeswehr zu einem der attraktivsten Arbeitgeber in Deutschland zu machen, ihre Weste sauber halten. Ausfälle in der Truppe, Probleme mit dem G36, dem Standardgewehr der Bundeswehr, hielt sie geschickt fern von ihrer Person.

Von der Leyen hatte früh erkannt, dass vor allem die großen Beschaffungsprojekte der Bundeswehr wegen der Intransparenz bei Vergabe, Entwicklung und Zulauf ihr als Ministerin, wie vielen Vorgängern, zu schaffen machen könnten, wenn sie keine echte Kontrollinstanz einzieht. Also schuf von der Leyen ein Rüstungsboard, das die Milliardenvorhaben regelmäßig auf ihre technische Machbarkeit und den Kostenrahmen überprüft. Von der Leyen hatte nicht vergessen, dass Vorgänger Thomas de Maizière beinahe über das Desaster um die Aufklärungsdrohne „Euro Hawk“ gestolpert wäre.

Aber nun? Die Ministerin zeigt mit dem Finger auf ihre Truppe: Mobbing (Sondershausen), sexuelle Belästigung (Pfullendorf), Rechtsextremismus im besonderen Falle eines Oberleutnants, der ein Doppelleben als registrierter Flüchtling führte und Anschläge geplant haben soll. Von der Leyen macht ein Haltungs- und Führungsproblem auf verschiedenen Ebenen der Streitkräfte aus. In einer Firma mit 240 000 militärischen und zivilen Beschäftigten wird es wie in anderen Großorganisationen immer wieder Fehlverhalten geben. Korpsgeist oder unappetitliche Rituale sind von gestern, fallen beim Militär aber immer wieder auf fruchtbaren Boden. Doch von der Leyen macht es sich zu einfach, wenn sie Soldatinnen und Soldaten pauschal angreift, auch wenn sie in einem offenen Brief betont, ein Großteil der Truppe leiste „tagtäglich anständig und tadellos“ seinen Dienst.

Von der Leyen kann sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Sie ist die Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt, sie muss sicherstellen, dass Missstände und Fehlverhalten nach oben gemeldet werden, sie (und die militärische Führung) steht Kraft ihres Amtes dafür gerade, dass das Prinzip der Inneren Führung auch gelebt wird. Dazu braucht es eigene innere Führung der Ministerin und keine inszenierten Bilder, die sie in entschlossener Pose zeigen.

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