Kommentar zum Maaßen-Fall Finale

Meinung | München · Horst Seehofer hat die Koalitionskrise provoziert, Andrea Nahles sie verschärft. Das Finale für diese Koalition hat schon jetzt begonnen, findet Kristina Dunz.

Horst Seehofer (CSU) hat auch diese Koalitionskrise provoziert. Er befördert einen Verfassungsschutzchef zum Staatssekretär, in den fast keine Partei mehr Vertrauen hat. Und Andrea Nahles (SPD) hat die Krise verschärft. Erst erklärt sie die Causa Maaßen zur Koalitionsfrage und dann trägt sie Seehofers höchstumstrittene Entscheidung mit. Viel beunruhigender aber ist das Verhalten von Angela Merkel (CDU). Sie hat diesem faulen Kompromiss zugestimmt. Ihr früher so sicherer Instinkt für die Gemütslage der Bürger und politische Korrektheit hat sie verlassen. Die Krisenmanagerin, die Eiskönigin, die Teflonkanzlerin, die Seismographin. Keiner dieser Titel trifft mehr zu.

In der vorigen Legislaturperiode wäre Merkel ein solcher Fehler nicht unterlaufen. Sie hätte verhindert, dass Maaßen für seine umstrittenen Äußerungen zu rechtsextremen Vorgängen in Chemnitz auch noch mit einem besser dotierten Job belohnt wird und dafür ein fähiger SPD-Staatssekretär weichen muss. Sie hätte das mit der Kraft ihres Amtes, mit ihrer Autorität und ihrer Macht durchgesetzt. Eiskalt. Sonst hätte der Innenminister eben gehen müssen. Aber der schwer angeschlagene CSU-Chef hat die CDU-Vorsitzende wundgeschossen. Das ist das eigentliche Drama dieser Regierung.

Die Kanzlerin hatte Seehofer im Juni mit ihrer Richtlinienkompetenz – letztendlich also seiner Entlassung - gedroht, weil er sich anschickte, wegen ihres Neins zur Zurückweisung von etwa fünf Flüchtlingen pro Tag an der bayrisch-österreichischen Grenze die Unionsfraktion und die Koalition platzen zu lassen. Dieses scharfe Schwert der Richtlinienkompetenz kann eine Regierungschefin aber nur selten einsetzen. Sonst wird es stumpf. Deshalb – und weil sie den bloßen Zoff über einen Beamten nicht künstlich überhöhen wollte – hat sie darauf verzichtet.

Es geht aber eben nicht nur um den Islam, den Asylstreit oder Maaßen, wenn Horst Seehofer sich in dieser Vehemenz gegen Merkel stellt. Es geht ihm um sie. Er will sie endlich dafür büßen sehen, dass sie ihren eigenen Weg in der Flüchtlingskrise gegangen ist. Und dieses Drama hat noch eine Tragik. Seehofer und Merkel sind dabei – gleich wie man zu ihnen steht-, ihre jeweils beachtliche Lebensleistung für die Politik, für dieses Land zum Ende ihrer Amtszeit schwer zu beschädigen. Solange beide gleichzeitig in Regierungsverantwortung sein werden, wird sich daran nichts mehr ändern.

Selbst wenn die drei Parteivorsitzenden einen neuen und besseren Kompromiss zu Maaßen finden sollten, wird der Frieden nicht lange halten. Es erschüttert das Land, dass die Koalition zum zweiten Mal in den ersten sechs Monaten am Abgrund steht. Es eint sie nur noch die Angst vor Neuwahlen, auch weil sie durch ihr Gezerre der AfD Auftrieb verliehen haben. Und dennoch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren: Das Finale für diese Koalition hat schon jetzt begonnen.

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