Kommentar zum Bonn/Berlin-Statusbericht Etappensieg

Meinung | Bonn · Ministerin Hendricks vertritt die Zweckrationalität der Berliner Regierungsbürokratie, die von Dienstreisen und geteilten Zuständigkeiten genervt ist. Aber an den rund 7000 Mitarbeitern hier in Bonn hängen rund 23.000 weitere qualifizierte Arbeitsplätze.

Über ein Jahr hat das Ministerium von Frau Hendricks über das Für und Wider der Aufgabenteilung in Sachen Regierung zwischen Bonn und Berlin nachgesonnen. Das Ergebnis ist dürftig, das ganze Verfahren fragwürdig und die Perspektive für Bonn und die Region so unsicher wie zuvor. Aber der Reihe nach.

Gemessen am Aufschlag, den die Ministerin wählte, zeigt das Papier, dass es der Region gelungen ist, den Angriff auf den Status quo erst einmal abzuwehren. Das ist gut so, denn was da aus Berlin zwischenzeitlich zu hören war, klang nach großem Veränderungswillen und wenig Verständnis für die Situation der Region am Rhein. Der muss es wichtig sein, vor allem jene Ministerien mit wesentlichen Abteilungen hier zu halten, an denen etwa die Organisationen der Entwicklungshilfe hängen oder die Verbände im Bereich Bildung und Wissenschaft. Wenn man die Äußerungen der Ministerin liest, wird nicht deutlich, ob sie diesen Zusammenhang überhaupt verstanden hat. Sie vertritt die Zweckrationalität der Berliner Regierungsbürokratie, die von Dienstreisen und geteilten Zuständigkeiten genervt ist. Aber an den rund 7000 Mitarbeitern hier in Bonn hängen rund 23.000 weitere qualifizierte Arbeitsplätze. Wer das ignoriert, richtet unnötig großen Schaden an.

Die politischen Akteure der Region haben den Schulterschluss geschafft und in Form der beiden Landtage und Landesregierungen in Mainz sowie Düsseldorf wirksame Unterstützer gewonnen. Stadt Bonn, Rhein-Sieg-Kreis und Kreis Ahrweiler haben gut zusammengearbeitet. Das ist ein Erfolg, angesichts des geringen Rückhalts, den die Teilung der Aufgaben zwischen Bonn und Berlin in der Bevölkerung und in den Parlamenten noch hat. Ob die nahenden Wahltermine in Land und Bund geholfen haben, ob es Spannungen zwischen den Ministern der roten und der schwarzen Richtung gab? Man kann und muss vermuten, dass beides Bonn geholfen hat.

Argumentativ ist das Papier schwach. Dafür muss man nur die jährlichen Reisekosten von zuletzt 7,5 Millionen Euro gegen zum Beispiel die Umzugskosten des Bundesnachrichtendienstes nach Berlin halten. Die schwanken zwischen 1,6 und 1,9 Milliarden Euro – so genau weiß das niemand. Für dieses Geld können die Bonner lange reisen. Schwach ist auch das Argument, geteilte Referate der Ministerien verursachten Probleme in der täglichen Arbeit. Die Minister haben es schließlich selbst in der Hand, ihre Häuser zu organisieren. Dass gemeinsame Kantinenbesuche bisweilen wichtiger sind als lange Meetings, weiß jeder – aber rechtfertigt das einen solchen Eingriff in das Leben von so vielen Menschen?

Ist die Sache damit erledigt? Jubel wäre verfrüht, denn der Bericht der Ministerin enthält ein paar Fakten, die auf das weitere Verfahren deuten. In Bonn sind die Mitarbeiter der Regierung deutlich älter als in Berlin, und in Berlin wird stärker eingestellt als in Bonn. Es wird also eine Möglichkeit eröffnet, das Thema auf der langen Strecke im Sinne der Ministerin zu lösen. Kurzfristig könnte nach der nächsten Bundestagswahl eine neue Situation entstehen. Eine rot-rot-grüne Bundesregierung denkt vermutlich ganz unsentimental ostdeutsch über Bonn. Die Hängepartie geht also weiter. Bonn und die Region müssen dran bleiben.

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