Fragen und Antworten Es mangelt an Geld und Personal in der Pflege

Berlin · Die Gehaltszettel, auf denen die Arbeitnehmer erstmals die Abzüge für den erhöhten Pflegebeitrag von 2,55 auf 3,05 Prozent (Kinderlose: 3,3) sehen, sind noch nicht verschickt, da bricht bereits die nächste Debatte um die Finanzierung der Pflegeversicherung aus.

 Eine ambulante Pflegerin hilft einer alten Frau, einen Pullover anzuziehen.

Eine ambulante Pflegerin hilft einer alten Frau, einen Pullover anzuziehen.

Foto: dpa

Geld und Personal können kaum in dem Tempo bereitgestellt werden, in dem der Bedarf im Pflegesektor wächst. Fragen und Antworten:

In welchem Umfang werden die Kosten der Pflege steigen?

Die Erhöhung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung soll mindestens eine Atempause bis 2022 schaffen. Nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung könnte der neue Beitragssatz sogar bis Ende 2024 stabil bleiben. Danach aber ist ein rasanter Anstieg in Sicht. „Ändert sich rechtlich nichts an der Finanzierung der Pflege, müsste der Beitragssatz zur Pflegeversicherung bis zum Jahr 2045 von derzeit 3,05 auf 4,25 Prozent klettern“, erklärt Studienautor Stefan Etgeton. Für ein Durchschnittseinkommen wären das fast 550 Euro mehr pro Jahr. Die Entwicklung verläuft rasant. Im Jahr 2000 gab es 1,9 Millionen Pflegebedürftige. Heute sind es 3,3 Millionen. Im Jahr 2045 werden es der Studie zufolge fünf Millionen sein.

Was will der Gesundheitsminister, wenn er eine Debatte über die Finanzierung der Pflege führen möchte?

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) möchte durch eine solche Debatte die Öffentlichkeit darauf vorbereiten, dass die Altenpflege künftig noch teurer wird. Zudem will er die politische Verantwortung für die Finanzierung nicht alleine tragen. Er selbst ist Anhänger des Pflegevorsorgefonds und hätte gerne schon vor Jahren mehr Geld in diese Rücklage gesteckt, die aufgezehrt werden soll, wenn die in den 1960er Jahren geborenen Baby-Boomer ins Alter der Pflegebedürftigkeit kommen.

An welchen Stellschrauben kann bei der Finanzierung der Pflege gedreht werden?

Eine Möglichkeit wäre tatsächlich, heute schon mehr finanzielle Vorsorge mit Blick auf die wachsende Zahl sehr alter Menschen zu betreiben und mehr in den Vorsorgefonds einzuzahlen. Heute werden davon 0,1 Prozentpunkte des Beitragssatzes genutzt. Es könnten Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt gezahlt werden, was zu Steuererhöhungen führen würde oder die Beiträge würden steigen. SPD, Grüne und Linke möchten die Zahl der Beitragszahler erhöhen, indem sie in Form einer Bürgerversicherung auch Selbstständige und Beamte einbeziehen. Dies wiederum würde aber auch neue Ansprüche begründen.

Welches Risiko kann die Pflegeversicherung in Zukunft noch abdecken?

Die Pflegeversicherung ist eine Teilkasko-Versicherung. Das heißt, wer pflegebedürftig ist, bekommt ohnehin nur einen Teil seiner durch die Pflegebedürftigkeit erzeugten Kosten ersetzt. Auch die Rente und Privatvermögen müssen für die Pflege eingesetzt werden. Wenn das eigene Geld beispielsweise für einen Heimaufenthalt nicht reicht, springt der Staat ein oder die Kinder müssen einen Beitrag leisten. Von Sozialverbänden wird immer wieder die Forderung erhoben, die Pflegeversicherung müsse einen Vollkasko-Schutz gewähren. Dann aber wären die finanziellen Aufwendungen für die Pflege erheblich teurer. Insbesondere jüngere Arbeitnehmer, die kein Erbe zu erwarten haben, wären erheblich belastet.

Hat sich das Image der Pflege verbessert, seitdem öffentlich viel mehr darüber diskutiert wird?

Die Stimmung in der Pflegebranche hat sich einer Umfrage zufolge, die zum Deutschen Pflegetag erhoben wurde, sogar verschlechtert. Das Marktforschungsinstitut „Psyma Health & Care“ fragte dafür Arbeitskräfte des Gesundheits- und Pflegesektors sowie Pflegebedürftige und deren Angehörige. 38 Prozent meinten, der gesellschaftliche Stellenwert der Pflege sei gesunken. Mehr als drei Viertel glauben nicht, dass der nötige Personalbedarf in den kommenden zehn Jahren gedeckt werden könne.

Wie groß ist der Fachkräftemangel aktuell?

Die Zahl der offenen Stellen in der Altenpflege ist zwischen Dezember 2017 und Dezember 2018 erstmals seit fünf Jahren von 24 279 auf 22 950 gesunken. Das geht aus einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Im Dezember 2013 betrug die Zahl der offenen Stellen in der Pflege 12 826 und stieg seitdem bis Dezember 2017 kontinuierlich an. Der größte Mangel herrscht bei den Fachkräften. Im Dezember 2018 lagen der Bundesagentur für Arbeit rund 14 500 offene Stellen für Altenpflegefachkräfte vor. Nicht alle unbesetzten Jobs werden gemeldet.

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