Geschichte der Berliner Mauer Eine Grenze, wie es sie vorher nicht gegeben hatte

BERLIN · Die Berliner Mauer ist auch die Geschichte einer langen Trennung: Über 155 Kilometer machte sie West-Berlin zu einer "Insel".

Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten? Was der Staatsratsvorsitzende der DDR, Walter Ulbricht, in einer internationalen Pressekonferenz am 15. Juni 1961 auf eine Frage nach seinen Vorstellungen einer freien Stadt und einer offenbar geplanten Staatsgrenze am Brandenburger Tor antwortete, konnte zunächst wie eine Beruhigungspille wirken.

"Ich verstehe Ihre Frage so: dass es Menschen in Westdeutschland gibt, die wünschen, dass wir die Bauarbeiter der Hauptstadt der DDR mobilisieren, um eine Mauer aufzurichten, ja?", rückversicherte sich Ulbricht. Nein, eine solche Absicht sei ihm nicht bekannt, weil die Arbeiter im Ostteil Berlins ihre Arbeitskraft voll für den Wohnungsbau einsetzten. Am Ende seiner Ausführungen bekräftigte Ulbricht dann mit dem längst historischen Satz: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten."

Zwei Monate nach Ulbrichts Zusicherung rückten am 13. August 1961 Bautrupps an die Sektorengrenze, um die Verbindung nach West-Berlin abzusperren. Am 12. August hatte der DDR-Ministerrat noch bekanntgegeben: "Zur Unterbindung der feindlichen Tätigkeit der revanchistischen und militaristischen Kräfte Westdeutschlands und West-Berlins wird eine solche Kontrolle an der Grenze der Deutschen Demokratischen Republik einschließlich der Grenze zu den Westsektoren von Groß-Berlin eingeführt, wie sie an den Grenzen jedes souveränen Staates üblich ist."

Bilder rund um die Berliner Mauer
27 Bilder

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Am Ende schufen die tatkräftigen Bauarbeiter der Hauptstadt der DDR eine Grenze, wie sie die Welt innerhalb einer Stadt noch nicht gesehen hatte. Die Gesamtlänge der Mauer um West-Berlin betrug 155 Kilometer, die direkte Grenze zwischen Ost- und West-Berlin reichte über 43 Kilometer. Die 3,60 Meter hohen Betonelemente mit gewölbter Rohrauflage, die gemeinhin als Mauer bekannt sind und auch jetzt wieder an der East Side Gallery für Protest sorgen, trennten Berliner auf einer Länge von 106 Kilometern. Die Grenzbautrupps befestigten über 67 Kilometer Metallgitterzäune, errichteten über 106 Kilometer einen Kfz-Sperrgraben sowie auf einer Länge von 128 Kilometern einen Kontakt- und Signalzaun.

Zudem legten sie über 124 Kilometer einen sechs bis sieben Meter breiten Kolonnenweg an. Zwischen Ost- und West-Berlin gab es acht Grenzübergänge. Grenzer wachten in 302 Beobachtungstürmen und aus 20 Bunkern. An der Berliner Mauer kamen 98 Flüchtlinge ums Leben sowie acht DDR-Grenzsoldaten, die während ihres Dienstes durch Fahnenflüchtige, Kameraden oder Flüchtlinge getötet wurden. 30 weitere Menschen aus Ost und West, die keine Fluchtabsichten hatten, wurden an der Mauer erschossen oder verunglückten dort tödlich.

Zudem starben 251 Reisende vor, während und nach Kontrollen an Berliner Grenzübergängen. Legendär bis heute ist die im Volksmund "Tränenpalast" genannte Ausreisehalle am Übergang Friedrichstraße. "Tränenpalast" deshalb, weil die meisten DDR-Bürger keine Reisefreiheit hatten und ihre Besucher aus dem Westen häufig unter Tränen verabschiedeten. In der Nacht des 9. November 1989 öffneten DDR-Grenzer unter dem Druck der Massen als erste Grenzstation in Berlin den Übergang an der Bornholmer Straße. Es war der Beginn des Mauerfalls.

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