BND-Affäre Eine Frage der Ehre

BERLIN · Unter großem öffentlichen Druck rücken die Präsidenten der Nachrichtendienste in der BND-Affäre eng zusammen.

 Geheimdienstler im Gespräch: Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen (links) und BND-Chef Gerhard Schindler gestern in Berlin. FOTO: AFP

Geheimdienstler im Gespräch: Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen (links) und BND-Chef Gerhard Schindler gestern in Berlin. FOTO: AFP

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Gerhard Schindler sagt es ohne Umschweife: Er hat keine Lust - nicht auf diesen Termin und nicht auf dieses Podium. Kein Wunder, steht der Präsident des Bundesnachrichtendienstes doch seit Tagen wegen des jüngst bekannt gewordenen Falls von Amtshilfe des BND für den US-Geheimdienst "National Security Agency" (NSA) im Feuer. Aber bitte, wenn der Präsidentenkollege Hans-Georg Maaßen vom Bundesamt für Verfassungsschutz ihn schon zum Symposium "Islamistischer Terrorismus in Europa" einlade, dann komme er auch. Er habe es schließlich versprochen.

Schindler räumt sofort mit der Illusion auf, er könnte hier vor großem Publikum womöglich reinen Tisch machen. Schnell noch ein Geburtstagsglückwunsch an Dieter Romann, Präsidentenkollege der Bundespolizei, der gleichfalls im Saal ist. Die Offensive in eigener Sache aber lässt der BND-Präsident ausfallen.

Schindler sagt nichts zu den Vorwürfen, wie der von ihm geführte deutsche Auslandsgeheimdienst der NSA geholfen haben soll, europäische Firmen, Institutionen und Politiker auszuspähen. Er wolle sich gut auf seine bevorstehenden Auftritte in diversen Ausschüssen des Bundestages vorbereiten. Morgen tagt das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) zur Kontrolle der Geheimdienste. Fragen an Schindler haben die Kontrolleure mit Bundestagsmandat genügend.

Zwei Dinge aber will der BND-Präsident klarstellen. Erstens: Er weise den Vorwurf des Landesverrats "in aller Deutlichkeit" zurück. Dies sei "schlicht und ergreifend abwegig". "Der BND arbeitet für deutsche Interessen und für Deutschland - und für niemand anderen", erklärt Schindler. Sein Dienst sei "zurzeit so leistungsfähig wie schon lange nicht mehr". Allein in Afghanistan seien 19 Anschläge auf deutsche Soldaten verhindert worden, weil der BND früh genug Informationen über bevorstehende Attentate habe liefern können. Zweitens: "Ohne internationale Zusammenarbeit könnte der BND seinen Auftrag nicht erfüllen." Und diese Zusammenarbeit mit den USA drohe "Schaden zu nehmen". Internationale Kooperation bedeute nun mal "ein Geben und Nehmen".

Noch einer steht in diesem nächsten Kapitel der BND/NSA-Affäre unter Druck: Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), von 2005 bis 2009 als Kanzleramtschef auch für die Geheimdienste zuständig. De Maizière spricht von "Unterstellungen", die er ausräumen will. Je früher, desto besser. Morgen will er im PKGr Rede und Antwort stehen. Der Minister sagt zu Vorwürfen, er habe bereits 2008 als Kanzleramtschef von umstrittenen Aktivitäten des BND für die NSA gewusst, damals sei es vielmehr darum gegangen, "eine bestimmte Form der Zusammenarbeit mit der NSA gerade nicht zu vertiefen, um Missbräuchen vorzubeugen". Welche Form der Zusammenarbeit genau gemeint ist, dazu sagt de Maizière nichts: Auskunft ja, aber nur vor dem Kontrollgremium.

Derweil verlangt Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) lückenlose Aufklärung: "Was wir jetzt erleben, ist eine Affäre, ein Geheimdienstskandal, der geeignet ist, eine sehr schwere Erschütterung auszulösen", so der SPD-Chef. Zwei Mal habe er Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gefragt, ob der BND womöglich einen Beitrag zur Wirtschaftsspionage durch die NSA geleistet habe. Beide Male habe Merkel verneint.

Auch Verfassungsschutzpräsident Maaßen, Gastgeber des Symposiums, greift in die BND-Debatte ein. Medienberichte zur Rolle des früheren Kanzleramtschefs de Maizière in der BND-Affäre finde er "zutiefst unanständig". Und die "fortlaufenden Unterstellungen", Mitarbeiter der Nachrichtendienste würden gegen geltendes Recht verstoßen, seien schlicht "ehrabschneidend". Maaßen schlägt sich für die Mitarbeiter der Dienste in die Bresche: "Nicht jeder Fehler ist ein Skandal, auch wenn er Mitarbeitern eines Nachrichtendienstes passiert." Maaßen plädiert: "Zunächst einmal muss der Sachverhalt aufgeklärt werden." Alles andere: Spekulation.

Maaßen verweist auf Ermittlungserfolge wie zuletzt in Oberursel. Die Mitarbeiterin eines Frankfurter Baumarktes, wo die potenziellen Attentäter Wasserstoffperoxid gekauft hätten, habe ebenso aufmerksam reagiert wie eine Überwachungskamera am Baumarkt bei der Identifizierung der Verdächtigen geholfen habe. Entwarnung vor möglichen Anschlagen in Deutschland könne es aber nicht geben: "In letzter Zeit werden diese Warnungen nicht nur konkreter, sondern sie wiederholen sich. (...) Das muss uns aufmerksam werden lassen."

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