Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Einblicke in die Anfangszeit der Bonner Bamf-Behörde

Bonn · Verschwundene Pässe, Arbeitsüberlastung, interne Konflikte: Drei ehemalige Mitarbeiterinnen geben einen Einblick in die Anfangszeit der Bonner Bamf-Behörde

Das Bild, das drei ehemalige Mitarbeiterinnen von der Anfangszeit des Bonner Ankunftszentrums des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf) zeichnen, ist eines von Chaos und Überforderung. „Ich hätte nach dem Einstellungsverfahren schon stutzig werden sollen“, sagt die eine, die sich gleich auf mehrere ausgeschriebene Stellen bewarb. „Ich bekam die Absage für eine Stelle, für die ich gleichzeitig eine Einladung erhielt. Und als ich vier Wochen im Bamf gearbeitet habe, erhielt ich für die Stelle, die ich bereits besetzte, noch eine Absage.“

Das Bonner Bamf nahm im April 2016 seine Arbeit auf. Wer eine Stelle ergatterte, sollte nicht auf eine richtige Einarbeitung hoffen. „Das war Learning by Doing“, sagt eine zweite ehemalige Mitarbeiterin, die darüber hinaus eine hohe Personalfluktuation bemängelt. „Wir haben alles gemacht, aber von nichts eine Ahnung gehabt“ – so drückt es Sabine Müller aus, die in Wirklichkeit anders heißt. Wie die beiden anderen möchte auch sie ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen.

Quantität vor Qualität

Müller war eine Mitarbeiterin der ersten Stunde und nach Schulung in Nürnberg für die Überprüfung der Ausweise zuständig. „Man braucht mindestens 15 Minuten, um die Sorgfalt einzuhalten“, sagt sie. „Schnell bin ich bei der Masse an Ausweisdokumenten nicht mehr hinterhergekommen.“ Das Computersystem sei ständig abgestürzt. Und dann seien auf den Rat einer Unternehmensberatung hin auch noch die Personalpapiere vom Rest der Akten der Asylbewerber getrennt worden, um das Verfahren zu beschleunigen. „Dadurch sind Ausweispapiere einfach verschwunden“, sagt Müller. Auch am Datenschutz habe es gemangelt. Türen hätten offen gestanden und Schlösser gefehlt – für sie ein weiterer Grund, warum Papiere verloren gegangen seien. Ein Kollege habe im Mülleimer sogar einmal einen zerschnittenen syrischen Führerschein gefunden.

Für Müller nicht die einzigen Missstände. Sie spricht von unklaren Arbeitsanweisungen, überlangen Arbeitszeiten, Fehlern bei Namensübertragungen in Akten und Entscheidungen, die sie eigentlich gar nicht habe treffen dürfen. „Auf diese Weise machen sie sich ihr eigenes Pulverfass“, sagt sie. „Wir waren unfassbar wütend, irgendwann dann verzweifelt und nur noch sauer.“ Es habe immer geheißen, Quantität gehe vor Qualität. Schriftlich habe sie das allerdings nie bekommen.

Als die Flüchtlingszahlen wieder abnahmen, seien dann innerhalb der Belegschaft viele Konflikte entstanden, weil die Mitarbeiter um die Entfristungen ihrer Verträge konkurrierten, sagt Müller. Aktuell klagen laut Bonner Arbeitsgericht noch rund 20 ehemalige Bamf-Mitarbeiter, weil sie nicht berücksichtigt wurden.

Müller wandte sich an Personalrat und Gleichstellungsbeauftragte. Doch bevor sie eine Antwort erhielt, fand sie eine andere Stelle und verließ das Bamf.

Bamf: Situation nicht mit der heutigen vergleichbar

Müllers Anschuldigungen zu überprüfen, ist schwierig. Doch zumindest der Vorwurf der verschwundenen Ausweispapiere deckt sich mit den Erfahrungen anderer Stellen. So schildert eine Flüchtlingshelferin aus der Region den Fall eines Albaners, dessen Pass im Verfahren verschwand – wenn auch nicht in Bonn. Sie weiß auch von weiteren Fällen. „In der Vergangenheit hat es tatsächlich derartige Fälle beim Bamf gegeben; aus jüngster Vergangenheit ist mir allerdings kein Fall mehr bekannt“, sagt Gabriele Neugebauer, Leiterin des Rechts- und Ordnungsamtes beim Rhein-Sieg-Kreis. Schon im Oktober 2015 berichtete der Bayerische Rundfunk, dass beim Bamf offenbar vielfach Pässe und Ausweise von Asylsuchenden verloren gingen.

Auf die GA-Anfrage zur Situation in Bonn schreibt das Bamf, dass in der Behörde generell 2016 „ein Registrierungs- und Monitoringsystem eingeführt“ worden sei, anhand dessen nachvollziehbar sei, wo sich welche Dokumente befinden. Den Vorfall mit dem zerschnittenen syrischen Führerschein bestätigte die Behörde, doch habe eine „referatsinterne Untersuchung zu keinem Ergebnis“ geführt, so Sprecherin Natalie Bußenius. Zu den fehlenden Türen und Schlössern bemerkt sie, dass das Bamf nach dem Beratungs- und Kontrollbesuch der Bundesbeauftragten für den Datenschutz 2017 „die notwendigen Sicherungsmaßnahmen gewährleistet habe“.

Zu pauschalen Vorwürfen ohne konkrete Beispiele könne sie sich nicht äußern. Allerdings räumt sie ein: „Ich möchte gerne darauf hinweisen, dass die Situation im Bundesamt im Jahr 2016 nicht mit der heutigen vergleichbar ist. Die Situation in 2016 war geprägt von den hohen Flüchtlingszugängen und einer enormen Aufpersonalisierung sowie eines Aufbaus des Flüchtlingsmanagements und entsprechender Liegenschaften. In der Zwischenzeit wurden viele Prozesse und Abläufe optimiert, konsolidiert sowie zusätzliche Qualitätssicherungsmaßnahmen umgesetzt.“

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