C wie christlich Ein neues Grundsatzprogramm für die CDU

Berlin · CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer wird das nächste Grundsatzprogramm der Partei erarbeiten. Im Zentrum soll das christliche Menschenbild stehen. Das ist alt - und doch brandaktuell

Es steht ganz vorn: Die Politik der CDU beruht auf dem christlichen Verständnis vom Menschen und seiner Verantwortung vor Gott. Das ist die Einstimmung auf das rund 100-seitige Grundsatzprogramm, das die Christdemokraten bei ihrem 21. Parteitag in Hannover 2007 beschlossen haben und das bis heute die Basis ihrer Politik ist. Damals war Angela Merkel, die Pfarrerstochter aus der DDR, seit sieben Jahren Parteivorsitzende und seit zwei Jahren Bundeskanzlerin. Es gab noch keinen Ausstieg aus der Atomenergie und noch keine Aussetzung der Wehrpflicht, keine Ehe für alle und das Internet war noch ganz großes Neuland. Anders als heute starrten die Delegierten damals während der Reden noch nicht auf ihre Tablets oder in ihre Handys, um parallel Diskussionen auf Twitter zu verfolgen.

Der Parteitag in Hannover verankerte auch diese Sätze: „Wir wissen, dass sich aus dem christlichen Glauben kein bestimmtes politisches Programm ableiten lässt. Die CDU ist für jeden offen, der die Würde und Freiheit aller Menschen anerkennt (...) Die CDU hat konservative, liberale und christlich-soziale Wurzeln.“

Nun, elf Jahre und neun Parteitage weiter, soll die gerade zur neuen Generalsekretärin gewählte Saarländerin Annegret Kramp-Karrenbauer ein neues Grundsatzprogramm erarbeiten. Bis zum Jahr 2020 – ein Jahr vor der nächsten regulären Bundestagswahl – soll es fertig sein. Die katholisch geprägte 55-Jährige will sich abstimmen mit allen Flügeln der Partei, dem konservativen, dem liberalen und dem christlich-sozialen. Und der Leitgedanke wird auch jetzt wieder sein: das christliche Menschenbild.

Ein altes, fest verankerte Bekenntnis, das erneuert werden muss – und neu gestaltet, weil sich die Welt so schnell gedreht hat, dass die CDU nicht hinterhergekommen ist mit der Unterfütterung ihrer Werte. So sagt auch der Unionsfraktionsvorsitzende und Protestant Volker Kauder, die Union müsse sich verstärkt mit ihrem Wertefundament beschäftigen. „Wir müssen erklären, was heute Politik auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes bedeutet – in einer Zeit, in der die Digitalisierung die Gesellschaften mit großer Wucht trifft.“

Eine C-Partei müsse erläutern, wie die Würde eines jeden Menschen im Zeitalter der Digitalisierung bewahrt werden kann, in dem Roboter dem Menschen immer ähnlicher würden und ihn zunehmend ersetzten. Wie groß die Sehnsucht der Partei nach Herz und Seele ist, zeigte der Sonderparteitag zur Abstimmung über eine neue große Koalition und die Wahl Kramp-Karrenbauers. Die Delegierten sind begeistert, als sie das christliche Menschenbild für die CDU so definiert: „Es ist das Bild, das die Menschen, so wie sie sind, am besten beschreibt und am besten annimmt. Es nimmt den Menschen mit all seinen Fähigkeiten zur Selbstverantwortung (...) wahr. Aber es nimmt ihn auch dort wahr, wo er schwach ist und wo er unsere Solidarität verdient hat.“ Daraus leite die CDU ihre Werte ab, daraus habe sie ihre konservativen, liberalen und christlich-sozialen Wurzeln entwickelt.

Es ist der große Bogen, um die in den vergangenen Monaten so widerstreitenden Gruppen in der CDU zu versöhnen. Das christliche Menschenbild als großer gemeinsamer Nenner. Für einen menschlicheren Umgang in einer sich rasend schnell verändernden Gesellschaft, in der Digitalisierung den Menschen Sorgen vor Arbeitsplatzverlust bereiten, die Alten mit der Entwicklung nicht mehr mitkommen und Flüchtlinge als Gefahr für den eigenen Wohlstand und die eigene Identität im eigenen Land gesehen werden.

Merkel spricht dabei defensiv von einem Unbehagen der Bürger. Gegenüber der Funktionsfähigkeit der staatlichen Institutionen, neuer technologischer Möglichkeiten und Konflikten auf der Welt. Es sind schlicht Ängste der Menschen. Beim Sonderparteitag macht dann auch Merkel auffällig deutlich: „Was ist das, was die CDU ausmacht und was die CDU zur Volkspartei der Mitte macht? So wie zur Zeit der Gründung der CDU ist und bleibt dies unser Bekenntnis zum christlichen Menschenbild.“ Das sei das Fundament, der Kompass und die Verpflichtung der CDU.

Die Parteiführung versucht, mit einem alten Bekenntnis eine neue Orientierung zu bieten. In einer Zeit, in der vieles unübersichtlich geworden ist, Familienleben durch Pendeln zum Arbeitsplatz erschwert wird, Großeltern für die Betreuung der Enkel und die Hilfe der Kinder für die alten Eltern ausfallen, weil man zu weit voneinander entfernt wohnt. Wo Landstriche veröden, weil es keine Arbeit mehr gibt und keine Ärzte oder keine Busse mehr fahren, und für die Pflege kranker Menschen nicht genügend Fachkräfte da sind. In einer Welt, die den menschlichen Umgang miteinander oft vermissen lässt.

Die Hoffnung in der Partei auf Kramp-Karrenbauer ist jetzt groß, dass sie ein neues Bild vorleben könnte. Gelenkt von ihrem christlichen Glauben. Das mit einem christlichen Menschenbild aber auch jene Menschen angenommen werden müssen, die schwach seien und die Solidarität der Stärkeren verdienten, hat sie gleich in ihrer Bewerbungsrede für das Amt der Generalsekretärin angemahnt. So wird sie auch keinen Kurs gegen die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin mitmachen.

Sie wird die Wurzeln der Partei gleichermaßen stärken und nicht gegeneinander ausspielen lassen wollen. Sie könnte von den Christdemokraten selbst wieder einen menschlicheren Umgang einfordern. Der Einzelne solle sich mehr zurücknehmen. „Der Star ist die CDU“, ruft sie beim Parteitag. Und fordert: „Dafür müsst Ihr mittun.“ Die Delegierten jubeln und wählen sie mit fast 99 Prozent in ihr neues Amt. Das ist jetzt die Messlatte. Für eine Neuausrichtung der CDU mit einem neuen Grundsatzprogramm.

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