Trauer um den Nachbarn Genscher Ein Mann, der noch viel zu sagen hatte

Bonn · Seine Heimat war Halle, zu Hause war er in Pech. Das hat Hans-Dietrich Genscher oft wiederholt. Vor dem Wachtberger Rathaus weht seit gestern die Trauerbeflaggung "aus Respekt vor Genschers Lebensleistung und seiner langjährigen engen Verbundenheit mit der Gemeinde".

Bürgermeisterin Renate Offergeld hatte dem wohl bekanntesten Wachtberger, im Oktober 2015 bei einem Festakt die Ehrenbürgerschaft verliehen und ihm noch vor wenigen Tagen persönlich zum 89. Geburtstag gratuliert. Ab Montag liegt im Wachtberger Rathaus in Berkum ein Kondolenzbuch aus.

Die Trauer in Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis ist groß. "Mit Hans-Dietrich Genscher verlieren wir nach Guido Westerwelle eine zweite große liberale Persönlichkeit. Er hat für unser Land als Staatsmann und überzeugter Europäer Geschichte geschrieben und wir sind ihm unendlich dankbar für sein Lebenswerk", so Jürgen Peter, Kreisvorsitzender der FDP Rhein-Sieg.

"Wir verlieren einen großartigen Menschen, dem unser Land sehr viel zu verdanken hat. Als Innen- und Außenminister hat Hans-Dietrich Genscher die deutsche Nachkriegsgeschichte geprägt wie kaum ein anderer. Das Ende des Kalten Krieges in Europa und die Verhandlungen zur Deutschen Einheit sind untrennbar mit seinem Namen verbunden", so Landrat Sebastian Schuster. Neben den historischen Verdiensten Genschers würdigt der Rhein-Sieg-Kreis ihn auch als Nachbarn. "Hans-Dietrich Genscher war nicht nur auf der großen Bühne zu Hause, ihm lagen auch die Belange seiner Gemeinde und seines Kreises am Herzen", so der Landrat.

Hans-Dietrich Genschers Wirken in BonnDer Bonner Oberbürgermeister Ashok Sridharan äußerte sich ebenfalls betroffen zum Tode Genschers. "Der frühere Bundesaußenminister war über viele Jahrzehnte hinweg eng mit der Bundesstadt Bonn verbunden. Hans-Dietrich Genscher war ein besonderer Mensch, ein gewiefter Politiker, ein großer Diplomat und ein engagierter Vordenker. Er war einer der Gestalter der Einheit Deutschlands und einer der Architekten Europas. Von Bonn aus hat Hans-Dietrich Genscher seine erfolgreiche Politik gestaltet."

Dass Deutschland heute mit seinen Nachbarn im Osten und Westen in Freundschaft und Frieden leben könne und die Zeit Bonns als Regierungssitz zu den erfolgreichsten Kapiteln der deutschen Geschichte zählten, sei in besonderem Maße auch Genschers Verdienst, so Sridharan.

Im GA-Interview sagte der ehemalige Außenminister 2010 über die alte und neue Hauptstadt: "Berlin hat seine Funktion als Hauptstadt der Deutschen wieder eingenommen, was überall in der Welt als selbstverständlich erachtet wurde. Berlin ist zu einem politischen, geistigen und kulturellen Anziehungspunkt in Europa geworden. Unsere Beet-hovenstadt Bonn hat ihren Platz als Bundesstadt und als UN-Stadt längst eingenommen. Das bedeutet mehr, als eine Großstadt zu sein unter anderen Großstädten. Als Hallenser, der hier sein Zuhause gefunden hat, empfinde ich das mit Dankbarkeit und auch mit Stolz." Seine Verbundenheit zeigte der Wahl-Rheinländer mit zahlreichen Schirmherrschaften und Ehrenämtern. So war er unter anderem Ehrenpräsident des Heimatvereins Pech, der sechste Bad Honnefer Aalkönig und Ehrenobrist der Bonner Stadtsoldaten.

Das Kondolenzbuch in Wachtberg wird sich schnell füllen. So schrieb Vize-Bürgermeister Oliver Henkel: "Ein Mann, dessen Verdienste nicht ausschließlich in der Vergangenheit liegen - er hatte auch heute noch viel zu sagen." Beim Ehrenbürger-Festakt habe er gezeigt, warum man großen Respekt vor dem Politiker und noch viel größeren Respekt vor dem Menschen Hans-Dietrich Genscher haben musste. "Es gibt Persönlichkeiten, die hinterlassen Lücken, die sich einfach nicht schließen lassen. Er gehört dazu."

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