Gysis Erben Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht führen nun die Linke

Berlin · Gregor Gysi hat vorher noch mit Sekt auf seine Zeit danach angestoßen. Dann hat er den Fraktionssaal betreten. "Und wenn ich wieder rauskomme, bin ich einfacher Abgeordneter", hat Gysi laut über sich geschmunzelt.

 Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch werden die größte Oppositionsfraktion gemeinsam führen.

Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch werden die größte Oppositionsfraktion gemeinsam führen.

Foto: dpa

Und so ist es dann auch. Den Vorsitz der Linke-Fraktion im Bundestag ist der 67-Jährige jetzt los, weil er nach insgesamt zwölf Jahren in diesem Amt - mit einer Unterbrechung zwischen 2000 und 2005 - fand, dass es an der Zeit für einen neuen Lebensabschnitt sei. Er fungiere künftig als "Gesellschaftspolitiker", wirke noch als stellvertretendes Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages und werde eben keine Kleine Anfrage an die Bundesregierung mehr einreichen.

Seine "Meetings" im Deutschen Theater wolle er pflegen, wo beispielsweise schon Unionsfraktionschef Volker Kauder oder der frühere FDP-Partei- und Fraktionschef Guido Westerwelle bei ihm zu Gast gewesen seien. Gysi fragt, der Gast antwortet. Aber bitte: "Ich bleibe ja noch. Ich werde ja nicht die Erde verlassen."

Gysi musste gar aus der Bergpredigt zitieren

Er freut sich noch darüber, dass er die "Kraft zu einem neuen Lebensabschnitt" habe und kokettiert damit, dass er es beinahe schon bereue, seine Unterschrift unter einen Vertrag für eine Autobiografie gesetzt zu haben.

Seit gestern Nachmittag hat die Linke-Fraktion wieder eine Doppelspitze - wie einst zu Zeiten von Gysi und Oskar Lafontaine. Ab sofort führen Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch die Fraktion. Die Abgeordneten wählten Wagenknecht, einstige Frontfrau der Kommunistischen Plattform, mit 78,3 Prozent und den Realpolitiker Bartsch mit 91,6 Prozent zu ihren neuen Vorsitzenden. Bartsch und Wagenknecht werden von insgesamt acht Stellvertretern, sortiert nach Arbeitskreisen in der Fraktion, vertreten. Vorbei sollen die Zeiten sein, als sich Bartsch und Wagenknecht beim Bundesparteitag 2012 in Göttingen unversöhnlich gegenüberstanden. Damals drohte der Partei Die Linke die Spaltung. Fraktionschef Gysi musste gar aus der Bergpredigt zitieren, um die Genossen dazu zu bringen, sich zumindest zuzuhören. "Liebet Eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen." Gysi gestand ein: "In unserer Fraktion im Bundestag herrscht auch Hass."

Bartsch war damals in einem mit allen Mitteln geführten Machtkampf dem heutigen Parteichef Bernd Riexinger, unterstützt von Lafontaine und letztlich auch Wagenknecht, unterlegen. Die 46-jährige Wagenknecht räumt heute offen ein: "Zum Glück ist Göttingen Geschichte. Es war nicht das beste Kapitel unserer Partei. (...) Ich bin sehr, sehr froh, dass wir diesen Zustand überwunden haben." Diese "Frontstellung" von damals gebe es "so nicht mehr".

Jetzt wollten sie und der 57-jährige Bartsch die Fraktion für die Zukunft aufstellen. Natürlich gebe es Fragen, "bei denen wir unterschiedlicher Meinung sind", sagt Wagenknecht. Aber in 90 Prozent der "politischen Positionierung" hätten Bartsch und sie Übereinstimmung.

Neue Doppelspitze mit acht Stellvertretern

Die neue Doppelspitze will mit ihren acht Stellvertretern jenes Meinungsspektrum abbilden, für das gerade die Bundestagsfraktion mit ihren 64 Abgeordneten gerne neue Mehrheiten gewinnen würde. Die nächste Bundestagswahl kommt bestimmt.

2017 also Rot-Rot-Grün? Bartsch sagt: "Wir werden im nächsten Wahlkampf eine Koalition mit Frau Merkel ausschließen. Mal sehen, wer noch mitmacht." Und auch mal sehen, "ob irgendeiner in der SPD den Mumm hat, Kanzlerkandidat zu werden".

Wagenknecht macht deutlich: "Wir wünschen uns eine sozialdemokratische SPD." Natürlich habe man weiter das Ziel, "irgendwann eine linke Regierung" in Deutschland zu stellen. Bartsch hat jedenfalls nicht vergessen, dass die SPD nicht einmal erwogen haben, mit der Linken nach der letzten Bundestagswahl zu sondieren, obwohl es eine numerische Mehrheit jenseits der Union gegeben habe. Und so bleibt es für Bartsch und Wagenknecht vorerst wie es ist: "Wir nehmen die Aufgabe, Oppositionsführer zu sein, an."

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