Zukunft der großen Koalition Diese Szenarien sind nach der Wahl der SPD-Spitze möglich

Berlin · Nach der Entscheidung über die neue SPD-Führung ist die Zukunft der großen Koalition ungewiss. Wir spielen verschiedene Möglichkeiten durch.

 Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vergangene Woche im Bundestag.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vergangene Woche im Bundestag.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Viele sind sich einig: Nach der Personalentscheidung der SPD-Basis wäre es jetzt das Klügste, möglichst schnell zu Neuwahlen zu kommen. Doch kaum etwas ist schwerer als das. Welche Szenarien sind wie wahrscheinlich?

Neuwahlen:

Dazu müsste die Kanzlerin die Vertrauensfrage stellen, sie verlieren und der Bundespräsident zu dem Schluss kommen, dass eine Mehrheitsbildung innerhalb des gewählten Bundestages nicht möglich ist. Einen anderen Weg gibt es nicht.

Dafür spricht: Dass viele Parlamentarier, Bürger und Beobachter Neuwahlen wollen.

Dagegen spricht: Dass weder die Regierung noch das Parlament den Bundestag auflösen können. Die Jamaika-Verhandlungen scheiterten Ende 2017 an der FDP. Die ist erkennbar nun zu einem Bündnis bereit. Also würde der Bundespräsident selbst nach einer von Merkel verlorenen Vertrauensabstimmung den Bundestag nicht auflösen, ohne Union, FDP und Grüne noch einmal zu Verhandlungen ermuntert zu haben. Dagegen spricht auch, dass Merkel zur Vertrauensabstimmung nicht gezwungen werden kann, dass sie einen verabschiedeten Haushalt hat und somit bequem bis mindestens Ende 2020 weiter regieren kann und ihr die EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands im zweiten Halbjahr 2020 immens wichtig ist.

Wahrscheinlichkeit: Sehr unwahrscheinlich.

  • Jamaika-Koalition

Dazu müsste die SPD aus der Regierung ausscheiden und die Union mit FDP und Grünen einen neuen Anlauf nehmen.

Dafür spricht: Dass Union und Grüne ursprünglich zu Jamaika fest entschlossen waren – und die FDP inzwischen wieder verhandeln will.

Dagegen spricht: Dass sich zunächst Kanzlerin Merkel und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer verständigen müssten, wer von ihnen bei den Verhandlungen und in der späteren Regierung den Hut aufhaben soll. Dagegen spricht auch, dass die Grünen laut aktuellen Sonntagsfragen 23 Prozent in die Waagschale werfen könnten statt der 2017 errungenen 8,9 Prozent. Sie könnten darauf spekulieren, von einem weiteren Niedergang der SPD wie in den vergangenen Monaten zu profitieren und aus Wahlen als stärkste Partei hervorzugehen, mit Grün-Rot-Rot selbst die Regierung anzuführen.

Wahrscheinlichkeit: Weniger wahrscheinlich.

Minderheitsregierung

Dazu müsste die SPD nur aus der Regierung ausscheiden.

Dafür spricht: Dass Merkel gewählt ist und gegen ihren Willen nur durch ein konstruktives Misstrauensvotum, also bei gleichzeitiger Wahl einer anderen Person mit Kanzlermehrheit, abgelöst werden kann. Dafür spricht auch, dass sie einen verabschiedeten Haushalt bis Ende 2020 hat und in seinem Rahmen auch 2021 Ausgaben tätigen könnte. Dafür spricht, dass sich CDU und CSU mehr profilieren und von Fall zu Fall im Tauschgeschäft Mehrheiten für Einzelgesetze suchen könnten und dass Merkel ihre Kanzlerschaft mit der EU-Ratspräsidentschaft abschließen könnte.

Dagegen spricht: Dass es Minderheitsregierungen im Bund über wenige Tage hinaus (nach dem Auszug der FDP aus der sozialliberalen Koalition 1982) noch nie gegeben hat und diese als zu wacklig gelten. Dagegen spricht auch, dass Merkel, CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer und CSU-Chef Söder längere Zitterpartien dieser Art vermeiden möchten.

Wahrscheinlichkeit: Weniger wahrscheinlich.

Groko-Fortsetzung

Dazu müssten sich Union und SPD neu zusammenraufen.

Dafür spricht: Dass auch die Union mehrfach Bedarf für zusätzliche Projekte angemeldet hat, wie jüngst Kramp-Karrenbauer mit der Dienstpflicht. So könnten sie sich zu ergänzenden Verabredungen treffen. Die SPD ist derzeit nicht wirklich kampagnenfähig und nach einem schweren Wahlkampf müsste sie einen weiteren Absturz befürchten. Eine zwischen AfD und Linken in der Opposition steckende SPD hätte auch kaum Chancen zur wahrnehmbaren Profilierung.

Dagegen spricht: Dass die Union klargemacht hat, dass der Koalitionsvertrag unverändert gilt, unabhängig davon, wer Vorsitzender ist. Ohnehin will die SPD in Teilen aus der Koalition raus. Neue Bedingungen sollen nur weitere Belege liefern, warum es mit der Union nicht geht.

Wahrscheinlichkeit: Eher wahrscheinlich.

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