Mögliche Fallstricke für neue Ministerin Die Baustellen in der Bundeswehr

Berlin · Annegret Kramp-Karrenbauer wird neue Verteidigungsministerin. In der Bundeswehr findet eine riesige Baustelle vor, in der sie schnell scheitern kann, sich aber beweisen muss, wenn sie aufsteigen will.

Das sind die wichtigsten Baustellen und Fallstricke für Annegret Kramp-Karrenbauer als neue Ministerin.

Erfahrung: Knapp 100 Stellen hatte Annegret Kramp-Karrenbauer in ihrer Staatskanzlei in Saarbrücken. Jetzt trägt sie die Verantwortung für 260.000. An sicherheitspolitischer Expertise ist vor allem ihr Eintreten für einen europäischen Flugzeugträger bekannt geworden. Militärexperten kamen darüber ins Prusten. Sie wird zunächst also auf intensive Beratung durch Experten für den Umgang mit Großorganisationen und Sicherheitspolitik angewiesen sein. Die von Vorgängerin Ursula von der Leyen hinterlassene Berateraffäre zeigt, dass man dabei auch leicht daneben greifen kann.

Material: Größtes Problem ist die desolate Ausstattung der Truppe. Als Ergebnis der „Trendwenden“ ihrer Vorgängerin kommt zwar inzwischen im Schnitt jedes Jahr ein neues Schiff, jeden Monat ein neues Fluggerät, jede Woche ein neues Panzerfahrzeug. Doch damit sind die riesigen Lücken, die in den Jahren der Sparorgien gerissen wurden, noch lange nicht aufgefüllt. Erst für 2023 rechnet die Bundeswehr damit, dass die Division für die Nato-Speerspitze sich ihre Ausrüstung nicht mehr überall ausleihen muss. Entsprechend wacklig ist die Grundlage für die Einsatzbereitschaft. Jederzeit kann ein Anlass für neues Gespött um die Ecke kommen – und die Ministerin zur Klärung gezwungen sein, ob sie das hätte verhindern können.

Hierarchie: Es ist ein zu langer Weg über zu viele Stellen, bis ein Missstand auf dem Schreibtisch der Ministerin landet. Er wird dann zu oft auch noch weichgespült dargestellt. So kann aus einer scheinbar leicht beherrschbaren Überholung des Segelschulschiffes „Gorch Fock“ für vielleicht zehn Millionen ein 135-Millionen-Skandal werden. Viele vor AKK haben versucht, diesen Dschungel zu lichten, die neue Ministerin wird hier ebenfalls besonders gefordert sein.

Vertrauen: Weil sie selbst über den teils naiven Umgang mit Rechtsextremismus und Wehrmachtstraditionen überrascht war, unterstellte von der Leyen der Truppe ein „Haltungsproblem“ – und hatte fortan nur noch die befohlene Loyalität und nicht mehr das Vertrauen der Soldaten. Die werden nun genau beobachten, wie Kramp-Karrenbauer bei ihren Truppenbesuchen mit den Männern und Frauen in Uniform umgeht. Dass sie ihnen bei ihren ersten Sätzen im Amt „höchste politische Priorität“ versprach, dürfte kein schlechter Einstieg gewesen sein.

Einsätze: Die Ministerin muss mit dem Risiko leben, für jedes Fehlverhalten jedes Soldaten verantwortlich gemacht zu werden. Hinzu kommen tödliche Unfälle, wie jüngst mit zwei Jets und einem Hubschrauber, und gefährliche Einsätze von Afghanistan bis Mali, für deren Auswirkungen auf das Leben der Soldaten sie rund um die Uhr einzustehen hat.

Geld: Der Verteidigungsetat ist zwar seit 2014 von 32 auf 43 Milliarden gewachsen. Doch noch klafft bis 2023 eine Lücke von 33 Milliarden. Eine besser ausgerüstete und angesichts des Fachkräftemangels auch als Arbeitgeber attraktive Truppe gibt es aber nur mit gesicherten Finanzen.

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