Interview mit Forsa-Chef Manfred Güllner "Die AfD-Wähler suchen Sündenböcke"

Bonn · Die Alternative für Deutschland (AfD) hat in den Meinungsumfragen in jüngster Zeit starken Zulauf erhalten. Mit dem Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, sprach Kai Pfundt.

 Im Karneval war die AfD in vielen Städten ein Thema, hier ein Mottowagen vor dem Rathaus in Düsseldorf.

Im Karneval war die AfD in vielen Städten ein Thema, hier ein Mottowagen vor dem Rathaus in Düsseldorf.

Foto: dpa

Die Alternative für Deutschland kommt in Ihrer jüngsten Umfrage zum Wahlverhalten der Deutschen auf zehn Prozent. Wird die Partei weiter zulegen?
Manfred Güllner: Es kann sein, dass noch ein oder zwei Prozent dazukommen. Das hängt aber sehr stark davon ab, wie viele Bürger tatsächlich zur Wahl gehen, zum Beispiel am 13. März in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt.

Warum?
Güllner: Die AfD kann zurzeit ihre Anhänger sehr gut zur Wahlteilnahme mobilisieren, besser als andere Parteien. Die AfD-Sympathisanten sind wie elektrisiert beim Thema Flüchtlinge. Gehen alle AfD-Anhänger zur Wahl, aber nur ein Teil der SPD- oder CDU-Wähler, steigt der prozentuale Anteil der AfD an den tatsächlich abgegebenen Stimmen an. Es kommt also wesentlich darauf an, wie weit die Parteien es schaffen, die Wahlberechtigten zu bewegen, ihre Stimmen tatsächlich abzugeben.

Und wie lautet Ihre Prognose für den anstehenden Landtagswahl-Sonntag?
Güllner: Besonders die CDU hat Probleme, ihre Wähler auf die Beine zu bringen. Das hat allerdings erstmal nichts mit der AfD zu tun, sondern mit der Tatsache, dass sie die Kanzlerin stellt. Seit Konrad Adenauer Kanzler war, hat die CDU bei Regionalwahlen Probleme, wenn sie das höchste Regierungsamt besetzt.

Und wie wird die AfD abschneiden?
Güllner: Schwer zu sagen. Unsere Untersuchungen zeigen, dass die Anhänger der anderen Parteien ihre Entscheidung stark von der Politik vor Ort abhängig machen. Anders die AfD-Sympathisanten. Für die ist die Bundespolitik entscheidend. Deshalb müssen wir abwarten, wie sich die Bundespolitik bis zum Wahltermin entwickelt.

Welche Szenarien sind denkbar?
Güllner: Die AfD hat zu Jahresbeginn stark von den Kölner Ereignissen profitiert, bei denen in der Wahrnehmung vieler Bürger drei Elemente zusammenkamen, die für Angst sorgen: Kriminalität, Terrorismus und Flüchtlinge. In dem Maße, in dem die Ereignisse verblassen und zum Beispiel die Polizei wieder erkennen lässt, dass sie die Lage beherrscht, könnte die AfD auch wieder Wählerstimmen verlieren.

Lässt sich die AfD tatsächlich darauf reduzieren, dass sie eine Partei des Protestes gegen Flüchtlinge ist?
Güllner: Die Flüchtlingsfrage ist für die AfD wie ein Magnet, ein Wählermagnet. Ihre Wähler kommen aus einem gesellschaftlichen Segment, dem es objektiv wirtschaftlich gut geht, das aber zugleich von starken Abstiegsängsten geprägt ist. Diese Menschen sind verängstigt, sie fühlen sich bedroht, fürchten, ins Proletariat abzugleiten. Nun suchen sie Sündenböcke, und finden sie in den Flüchtlingen.

Es gibt Forderungen von ihren politischen Gegnern der AfD, die Partei vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen? Ist das gerechtfertigt?
Güllner: In ihrem Kern ist die AfD eine rechtsradikale Partei. Ihre Strukturen ähneln denen der Republikaner Anfang der 1990er Jahre, ihre Anhänger teilen die selben Überzeugungen. Mit dem Flüchtlingsthema zieht sie nun Wähler, die anfällig sind für ausländerfeindliches und rechtsradikales Gedankengut, aus anderen Parteien heraus.

Warum haben diese Wähler nicht von vornherein NPD gewählt?
Güllner: Die NPD gilt vielen Wählern aus diesem Segment als anrüchig und schmuddelig. Die AfD gilt als wählbar, genauso wie seinerzeit die Republikaner.

Wie bewerten Sie die inhaltliche Zuspitzung etwa von AfD-Chefin Frauke Petry, die gegen Flüchtlinge an den Grenzen zur Not Waffen einsetzen lassen will?
Güllner: Für den Kern der AfD-Anhänger sind solche Aussagen stabilisierend. Aber was Petry und andere bei solchen Aussagen womöglich nicht bedenken: Die Kluft zwischen ihnen und dem Volk, das sie zu vertreten vorgeben, wird tiefer. Unsere Untersuchungen zeigen einen tiefen Graben zwischen der großen Mehrheit in der Mitte der Gesellschaft und dem rechten Rand. Dieser Graben wird durch solche Äußerungen breiter.

Wird die AfD in der weiteren Perspektive eine Rolle einnehmen können wie etwa die französische Front Nationale?
Güllner: Bisher hat das in Deutschland keine rechtsradikale Bewegung geschafft - weder die NPD Ende der 1960er Jahre noch die Republikaner in den 1990er Jahren. Trotz großer Wahlerfolge auf Landesebene schafften sie es nicht in den Bundestag.

Das muss im Fall der AfD nichts heißen.
Güllner: Es spricht zurzeit Einiges dafür, dass die AfD den Weg ihrer rechtsextremen Vorgänger gehen wird, sich nämlich in personellen Auseinandersetzungen selbst zu zerfleischen. Denken Sie daran, wie Parteigründer Bernd Lucke kaltgestellt wurde. Auch zurzeit wird im AfD-Vorstand heftig gestritten.

Kann die AfD 2017 damit rechnen, in den Bundestag gewählt zu werden?
Güllner: Nein, das sehe ich noch nicht. Wenn für die AfD ihr Wählermagnet, die Flüchtlingsfrage, schwächer wird, geschieht das, was bei Magneten naturgesetzlich passiert: Die Wähler fallen von ihr ab.

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