GA-Interview zum Auftakt des Weltwirtschaftsforums Davos „Deutschlands Herz besteht aus Toleranz und Menschenwürde“

James D. Bindenagel über interreligiösen Dialog und den Kampf gegen islamischen Extremismus

James Bindenagel Foto: Barbara Frommann

James Bindenagel Foto: Barbara Frommann

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Bei einer der Diskussionsveranstaltungen in Davos steht der interreligiöse Dialog im Mittelpunkt. Thema der Veranstaltung ist der Appell des Großmuftis von Ägypten, Shawki Abdel-Karim Allam, der Muslime dazu auffordert, mehr gegen islamische Extremisten zu unternehmen. Auf dem Podium dabei: der in Bonn lehrende US-amerikanische Professor James D. Bindenagel. Mit ihm sprach Bernd Eyermann.

Was ist so wichtig an dem Appell?
James D. Bindenagel: Es ist sehr interessant, dass ein geistlicher Führer des Islam in dieser Form an seine Glaubensbrüder appelliert. Das hat auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon anerkannt, der kürzlich einen Aktionsplan zur Bekämpfung von gewalttätigem Extremismus vorgestellt hat. Dieser Plan umfasst 22 Seiten und empfiehlt UN-Mitgliedstaaten unter anderem, besser mit örtlichen islamischen Gemeinden und jungen Muslimen zusammenzuarbeiten sowie mehr für Bildung und Frauenrechte zu tun.

Welchen Beitrag können die Universitäten leisten?
Bindenagel: Deutschlands Herz besteht aus Toleranz und Menschenwürde. Ich bin der Meinung, die Universitäten sollten gemeinsam mit den drei abrahamitischen Religionen, also Christen, Juden und Muslimen, Themen ausfindig machen, bei denen es um Toleranz und Menschenwürde geht. Außerdem denke ich, dass die Parlamente jedes Jahr einen Bericht erstellen sollten – in den USA gibt es bereits einen Menschenrechtsbericht –, damit die Gesellschaft auf einer Faktenbasis über diese Thematik diskutieren kann.

Fehlt unter den Religionen das Verständnis füreinander?
Bindenagel: Bevor ich nach Bonn kam, habe ich jahrelang in Chicago gelebt. Dort gab es einen regen Austausch zwischen Katholiken, Muslimen und Juden. Regelmäßig haben wir zusammengesessen und überlegt, was macht diese Religionen aus. Ich bin der Meinung, wenn wir mehr solcher Diskussionsforen hätten, würden wir vielmehr verstehen, was zum Beispiel der Islamische Staat ist.

In Ban Ki Moons Aktionsplan heißt es auch, die Länder dürften auf Extremismus nicht nur reagieren, sondern müssten vorbeugen. In Deutschland gibt es sehr viele muslimische Schulen. Sollte auch dort der Dialog in Gang gesetzt werden?
Bindenagel: Ja, sicher. Alle sind aufgerufen, in Bezug auf dieses Thema tätig zu werden. In den Schulen, in den Gemeinden, in den Kirchen, auch bei Begegnungen mit Flüchtlingen, die zum großen Teil Muslime sind. Es existieren viele Möglichkeiten: auf persönlicher Ebene, im akademischen Kreis oder auch bei praktischen Fragen.

Gibt es aus Ihrer Sicht schon konkrete Schritte, wie es auf dem Weg weitergehen sollte?
Bindenagel: Am 9. April beginnen die Schweizer in Genf damit, den Aktionsplan zu diskutieren. Ich bin der Meinung, dass auch wir hier in der UN-Stadt Bonn gemeinsam mit der Universität der Vereinten Nationen über den Plan und die Bedrohung durch gewaltbereiten Extremismus diskutieren sollten.

Was ist Ihnen dabei besonders wichtig?
Bindenagel: Es ist klar, dass gegen die Terrormiliz Islamischer Staat militärisch vorgegangen werden muss und dass im syrischen Bürgerkrieg Lösungen gefunden werden müssen. Auf den vielen anderen Ebenen kann aber noch viel mehr gemacht werden, gerade im Blick auf die vielen in Deutschland angekommenen Flüchtlinge. Und kriminelle Menschen müssen wie Kriminelle behandelt werden – das steht fest. Unabdingbar ist dabei allerdings zu differenzieren. Genau darum müssen wir uns in einer so internationalen Stadt wie Bonn kümmern.

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