Berlins neuer Bürgermeister Der verstoßene Kronprinz kehrt zurück

BERLIN · Am 11. Dezember endet die Ära Wowereit. Der Regierende Bürgermeister tritt nach dreizehneinhalb Jahren zurück. Zum neuen Chef der rot-schwarzen Koalition soll sein früherer Kronprinz, Stadtentwicklungssenator Michael Müller (49), gewählt werden.

 Michael Müller.

Michael Müller.

Foto: dpa

Müller hatte schon einmal Wowereit beerbt - im Juni 2001 übernahm er von ihm den SPD-Fraktionsvorsitz im Abgeordnetenhaus.

Der Senator tritt kein einfaches Erbe an. Länger als Wowereit hatte nur dessen Vorgänger Eberhard Diepgen (CDU) die Stadt regiert. Im neuen Jahrtausend entwickelte sich die Hauptstadt unter Wowereits Führung zu einer Metropole, die junge Leute, Kreative und Unternehmen aus aller Welt anzog. Mit dem Bekenntnis zur Homosexualität und seiner offenen Art schaffte es Wowereit auf viele Titelseiten und in Talkshows.

Nun soll es Müller richten. Nach drei Wahlsiegen unter Wowereit soll der bundesweit unbekannte Politiker der SPD zum vierten Erfolg verhelfen. Er setzt auf Verlässlichkeit und Zuhören. Ihm gehe es um einen "neuen Stil der Politik, der von Ernsthaftigkeit, Sachlichkeit und Dialog geprägt" sei, sagte er.

Michael Müller ist jemand, der seine Gefühle im Gesicht trägt. Eine verbissene Miene mit eingefallenen Wangen zum Beispiel im Mai, nach dem verlorenen Volksentscheid zum ehemaligen Flughafen Tempelhof. Jetzt sind die Sorgenfalten weg, das Lachen ist breit und verschmitzt. Seit klar ist, dass der 49 Jahre alte SPD-Politiker am Donnerstag zu Berlins neuem Regierungschef gekürt werden soll, scheint Müller ganz bei sich selbst. Dabei sah es zuletzt gar nicht gut aus. Reichlich Niederlagen musste er einstecken: Als SPD-Chef abgesägt, in der Partei ein Auslaufmodell, dann die Tempelhof-Schlappe. Die Stadtentwicklung, das größte Ressort in der rot-schwarzen Berliner Landesregierung, brachte dem Senator mehr Probleme als Applaus. In der SPD galt er vielen als führungsschwach, und Parteilinken war er zu pragmatisch.

Er sei freier geworden durch Dinge, die nicht geklappt haben, sagt Müller jetzt. Für eines wird der hagere Mann mit der runden Brille allerdings weiter kritisiert: fehlenden Glamour. Der gebürtige Berliner hat den Ruf, zwar freundlich und fachlich hervorragend zu sein, aber blass in der Öffentlichkeit. Ein Polit-Arbeiter, der sich gern in Akten vergräbt. Einfach zu wenig "Typ". Ein Biedermann.

Der Bruch nach seinem Vorgänger Wowereit - auch "Regierender Partymeister" oder "Sonnenkönig" genannt - könnte kaum größer sein. Doch die beiden Sozialdemokraten liegen auf einer Wellenlänge. "Wir ticken politisch in dieselbe Richtung, und ansonsten ist Michael Müller ein sehr sympathischer Mensch", sagte Wowereit kürzlich.

Müller betont gern, er wolle den Kurs seines Freundes Wowereit im Roten Rathaus fortsetzen. Mehr Arbeitsplätze und eine leistungsfähige Verwaltung, das schreiben sich beide auf die Fahnen. Mitnehmen will der zweifache Vater sein Lieblingsthema aus der Stadtentwicklung: bezahlbare Wohnungen in der wachsenden Hauptstadt. Für die Finanzen dagegen holte er sich mit dem hessischen Banker Matthias Kollatz-Ahnen einen Fachmann von außen.

18 Jahre war Müller Abgeordneter, zehn Jahre Fraktionschef, acht Jahre Parteivorsitzender, der zweitmächtigste Mann in der damals rot-roten Koalition, und schließlich - bis jetzt - drei Jahre Senator. Viele beschreiben ihn als freundlichen Kumpel - aber einen mit beißendem Sarkasmus und durchaus auch nachtragend. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort