Sterbehilfe Der Bundestag diskutiert heute vier Stunden

BERLIN · Es könnte eine große Stunde des Parlamentes werden. Vielleicht sogar ein Hochamt. Noch liegt den Abgeordneten aber nicht einmal ein Gesetzentwurf vor, wenn der Bundestag heute erstmals im Plenum über ein ethisch wie gesellschaftliches hoch sensibles Thema diskutiert: Sterbegleitung.

Sie steigen mit einer "Orientierungsdebatte" ein und haben, auch um den "nötigen Respekt" vor dem Thema auszudrücken, wie es SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht sagt, der Debatte vier Stunden Zeit eingeräumt. Insgesamt sollen 48 Abgeordnete zu Wort kommen: 20 von der Union (davon vier von der CSU), zwölf von der SPD sowie jeweils acht von den Oppositionsfraktionen der Linken und der Grünen.

Es wird ein Meinungsaustausch jenseits von Koalitionsdisziplin und Fraktionsgrenzen. Bislang sind die Abgeordneten dabei, Argumente zu sammeln, Positionen zu überprüfen oder zu festigen, und sich in der Folge den unterschiedlichen Gruppen pro und contra Sterbehilfe anzuschließen.

Aktuell zeichnen sich drei bis vier Positionen für und wider die Sterbebegleitung beziehungsweise für ein Ja in eng begrenzten Ausnahmefällen ab. Eine Gruppe um den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach und Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU) will im Falle eines Verbots von assistierter Selbsttötung die Berufsgruppe der Ärzte von einem solchen Verbot explizit ausnehmen.

Hintze sagte dem "Spiegel": "Wir müssen Ärzten und Patienten mehr Rechtssicherheit geben." Ein Arzt wolle "Sicherheit haben, nicht vor Gericht gezerrt zu werden", wenn er und ein weiterer Mediziner einem Patienten, "der an einer unumkehrbar zum Tode führenden Krankheit leidet und einen sehr starken Leidensdruck spürt", ein Medikament bereitstellen, nach dessen Einnahme er "friedlich entschlafen" könne.

Womöglich genügt für mehr Rechtssicherheit, das Standesrecht für Ärzte so anzupassen, dass Medizinern mehr Entscheidungsspielraum zur Hilfe bei Suizid bleibt. Denkbar wäre eine Formulierung im Bürgerlichen Gesetzbuch, die stärker wirken würde als Berufsrecht, wonach Ärzten bei Schwerstkranken Hilfe zur Selbsttötung erlaubt ist.

Eine weitere Gruppe von Abgeordneten um Kerstin Griese und Eva Högl (beide SPD) will auch für Ärzte keine ausdrückliche Erlaubnis zur Hilfe bei Suizid zulassen, weil sie befürchten, dass daraus ein Regelfall werden könnte.

Eine Gruppe von Unionsabgeordneten um Michael Brand und Claudia Lücking-Michel (Bonn) will keine gesetzlichen Sonderregelungen für Ärzte oder andere Gruppen in diesem Bereich und lehnt "organisierte ärztliche Assistenz zum Suizid" ab. Hinter dieser Position könnte sich ein großer Teil der Unionsfraktion versammeln.

Abgeordnete von Linken und Grünen um Renate Künast wiederum treten dafür ein, nicht-kommerziellen Sterbehilfevereinen Straffreiheit zuzusichern. Allerdings müsse es für diese Vereine klare Regeln und Standards geben.

Bis Herbst 2015 soll ein Gesetz verabschiedet sein. Ob und welche Gesetzesänderungen nötig werden, wollen die Abgeordneten nun in einer mehrmonatigen Informationssammlung herausfinden. Ende Februar kommenden Jahres soll die erste Lesung sein. Das Thema ist ihnen so wichtig, dass sie dazu am 20. März am Ende einer Sitzungswoche das Plenum ausfallen lassen, um Experten zu hören.

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